ROBERTO DEVEREUX
Roberto Devereux von Gaetano Donizetti (1797-1848). Tragedia lirica in drei Akten. Libretto von Salvatore Cammarano.
Elisabetta I. Elena Moşuc
Duca di Nottingham Konstantin Shushakov
Sara Anna Goryachova
Roberto Devereux Stephen Costello
Lord Cecil Andrew Owens
Sir Gualtiero Raleigh Brent Michael Smith
Page Aksel Daveyan
Vertrauter Nottinghams Gregory Feldmann
Henker Francesco Guglielmino
Musikalische Leitung Enrique Mazzola
Inszenierung David Alden
Philharmonia Zürich
Chor der Oper Zürich
Statistenverein am Opernhaus Zürich
Auch bei der fünften Aufführung nach der Premiere der Neuproduktion von Roberto Devereux am Opernhaus Zürich erwies sich die bildmächtige Inszenierung von David Alden in der düster-monumentalen Ausstattung von Gideon Davey (Bühne und Kostüme) als äusserst stimmungsvoll. Lediglich der Sinn des stilistischen Bruchs zwischen den elisabethanischen Kostümen der Solisten und der teilwesen Gewandung des Chores in Kostümen aus der Zeit des frühen 20. Jahrhunderts wollte sich auch beim erneuten Besuch weiterhin nicht ganz erschliessen. Sollte damit die Zeitlosigkeit von amourösen Verwicklungen und Intrigen am englischen Königshofes hervorgehoben werden? Sollte damit die Kommentarfunktion des Chores in diesem Meisterwerk Donizettis hervorgehoben werden? Weiterhin besticht bei diesem Roberto Devereux die intensive und empathisch gestaltete Personenführung – im Einklang mit der Musik als grosser Pluspunkt dieser sehenswerten Produktion.
Bereits ab der dritten Aufführung musste Inga Kalna aus gesundheitlichen Gründen ihre Teilnahme an der Produktion vorerst absagen, wobei sie durch den langjährigen Züricher Publikumsliebling Elena Moşuc ersetzt wurde. Moşuc hatte im Interview mit Opera Gazet im vergangenen Herbst die Elisabetta als ihre Traumrolle bezeichnet, die wie für ihre Stimme geschrieben sei, sodass man voller grosser Neugierde und Vorfreude auf diese Umbesetzung ins Opernhaus kam. Um es vorwegzunehmen: es war ein Opernabend, wie man ihn an Musikalität und Intensität selten erlebt!
Elena Moşuc gestaltete die Königin von ihrem einleitenden, imposanten Rezitativ äusserst eindrucksvoll und formte mit sicherer und sauberer Stimme, sowie stupender italienischer Technik kunstvolle Kadenzen und sicher vorgetragene Tonsprünge. Traumverloren und voller virtuoser Verzierungen gestaltete sie den langsamen Teil der Arie „L’amor suo mi fe beata“, wobei sie diesen nach einer meisterhaften Kadenz in der Höhe im Pianissimo verklingen liess, um zu der folgenden Cabaletta mit ihren rasanten Koloraturen und Spitzentönen zu beeindrucken. Elena Moşuc verkörperte von Beginn an die Zerrissenheit der Königin, welche sie im voller Spannung vorgetragenen Duett mit Roberto, immer mehr zuspitzte, wobei die Stimmen von Moşuc und Stephen Costello zu einer belcantistischen Reinform verschmolzen, wie man sie selten hört! So begann in dieser Duett-Szene das Drama, das nach der Pause vollends musikalisch an Fahrt aufnahm. In ihrer intensiven Interpretation verkörperte Moşuc zunehmend Wut, Enttäuschung, Trauer, was bei der Verkündung des Todesurteils in einem fulminanten „Vaaaaaaaaaaaaaaa“ in einer Mischung aus Schrei und Gesang im Finale des zweiten Aktes kulminierte – ein absoluter Gänsehautmoment!
Stephen Costello als Roberto und Anna Goryachova in der Rolle der gegen ihren Willen verheirateten Sara, waren zu Beginn der Aufführung als indisponiert angekündigt wurden. Dies tat jedoch beider herausragenden Interpretation als unglückliches Liebespaar keinen Abbruch. Mit ihrem beseelten Gesang und dem voller Schmerz und Trauer vorgetragen Abschieds-Duett «Questo Addio fatale», Saras einleitender Arie und Robertos gefühlvoll vorgetragenen Cabaletta «Bagnato il sen di lagrime» mit ihrer liedhafter Melodik, konnten die beiden zutiefst zu berühren. Als Herzog von Nottingham, zeichnete Konstantin Shushakov, mit kernig geführtem Bariton, das Portrait eines zutiefst gekränkten Mannes, der den vermeintlichen Verrat seiner Frau mit einer Brutalität rächte, die einem schier den Atem verschlug. Auf höchstem Niveau sangen erneut die Comprimari: Andrew Owens begeisterte als Lord Cecil in geisterhaftem Kostüm, Brent Michael Smith als Gualtiero Raleigh und Aksel Daveyan als Page, während Gregory Feldmann erneut als Familiare di Nottingham in seinem kurzen Auftritt zeigte, wie wichtig die saubere Ausgestaltung von Rezitativen ist. Ausgezeichnet präsentierte sich erneut der stimmmächtig einstudierte Chor. Und so fieberte das ganze Publikum, der Schlussszene dieser von Enrique Mazzola so präzise und mit Herzblut dirigierten Vorstellung entgegen:
Elena Moşuc erschien mit enormer Bühnenpräsenz als fast geisterhaft wirkende, gebrochene alternde Monarchin, die sich bis zum Schluss an die Illusion ihrer Liebe zu Roberto klammerte, welche durch dessen Schwert symbolisiert wurde, welches sie festhielt und liebevoll küsste. Noch einmal verwandelte die Moşuc diese Szene zu einem Moment, in dem in seiner ganzen Tragik die Zeit still zu stehen schien. In dem im Pianissimo vorgetragenen „Vivi ingrato“ und dem voller Dramatik pulsierenden Schlussgesang „Quel sangue versato“ bewies sie mit ihrem wunderschönen Legato, fulminanten und gleichzeitig in der Höhe strahlenden Tonsprüngen, wie meisterhaft sie die Facetten Elisabettas vielschichtigem Charakter musikalisch durchdrang und zum Ausdruck brachte. Am Ende der Oper kletterte die Königin erneut auf den Felsen, auf dem sie das Todesurteil verkündet hatte. Was einst ihre Macht demonstriert hatte, war nun ein Ort geworden unter dessen Last die Königin zusammenbrach – eine Wahnsinsszene, die Elena Moşucs in ihrer beispielhaften Interpretation mit einem strahlenden hohen D abrundete. Das Publikum, das dem Abend mit atemloser Spannung gefolgt war, feierte am Ende alle Sänger überschwänglich und spendete Ovationen für Elena Moşuc, die mit grosser Freude beim Applaus mehrere Blumensträusse entgegennahm.
Ein Operabend mit Suchtpotential!
Heerlijk om te lezen, begrijp ik uit de tekst, muziek 5* en regie 5*?