Die Leonora in Verdis Il Trovatore ist eine Rolle, die über das Repertoire, das Du bisher gesungen hast, deutlich hinausgeht. Wie legst Du diese anspruchsvolle Partie musikalisch an?
„Zuerst einmal möchte ich sagen, dass die Frauenrollen der gesamten «Triologia Popolare», also La Traviata, Rigoletto und Il Trovatore für dieselbe Art von Sopran komponiert wurden. Die Leonora der Uraufführung Rosina Penco war auch eine gefeierte Gilda und Violetta. Es wurde erst in den letzten Jahrzehnten üblich, diese Rolle mit einer schwereren Stimme zu besetzen, was jedoch bei vielen Kolleginnen Probleme in der Höhe mit sich bringt. Ich verstehe mich als hoher Sopran, hatte jedoch nie eine «Piepsstimme». Meine Stimme hat sich über die Jahre allerdings auch weiterentwickelt. Ich erreiche die erforderliche Dramatik durch Ausdruck und meine Technik. Meine Lehrerin, Maestra Mildela D`Amico, bei der ich in Milano studiert habe, hat mir die italienische Gesangstechnik beigebracht, die vor allem die Bedeutung des Atems betont. Ich habe sehr intensiv mit meiner Maestra gearbeitet um alle schwierigen Partien, die ich über Jahre erarbeitet habe, mit einer sehr soliden Technik sicher zu singen. Dabei interpretiere ich jeden Ton bewusst und möchte die Phrasierung möglichst interessant und emotional gestalten. So ist es mir z.B. gelungen in der riesigen Arena di Verona das hohe A am Ende von «Addio del passato» in La Traviata im Pianississimo verklingen zu lassen. Das ist eine Herangehensweise, die mir auch bei der Leonora zugutekommt.“
Du hast deine erste Leonora 2018 in Belgrad gesungen…
„Ja unter Maestro Dejan Savic. Er ist ein Dirigent der alten Schule, es war fast ein bisschen wie unter Maestro Nello Santi. Ich konnte wahnsinnig viel von ihm lernen und die Arbeit an der Leonora gemeinsam mit ihm hat mir grosse Freude bereitet. Zudem war das eine wunderschöne klassische Inszenierung in Belgrad.“
Wie hast Du nun Deine erste Leonora in Zürich erlebt?
„Ich war überwältigt zurück zu sein. Der herzliche und warme Empfang meiner alten Freunde am Opernhaus hat mich sehr berührt. Die Inszenierung hier in Zürich ist modern, aber sehr ästhetisch. Bei dieser Wiederaufnahme war fast das ganze Ensemble neu und wir mussten uns alle erst einmal aufeinander einspielen. Am Tag nach der ersten Aufführung war ich so müde, dass ich am nächsten Tag erstmal lange geschlafen habe. Da habe ich erst richtig gemerkt, wie es an den Kräften zehrt, in so einem Bühnenbild zu spielen und singen. Vor allem aber der Druck, den ich am ersten Abend beim Aufeinandertreffen mit meinem Publikum verspürte, hat mich ein bisschen mehr Energie gekostet. Von der zweiten Vorstellung an, war alles leichter und entwickelte sich immer besser. So wächst nun die Rolle musikalisch, stimmlich und szenisch mit jeder weiteren Vorstellung.“
(Fortsetzung folgt am 3. Oktober)