Elena Moşuc: „Ich möchte auf der Bühne etwas Schönes sehen“ Teil 2.

Elena Moşuc, Interview Teil 2

Sänger und Publikum sind heutzutage viel mit schwierigen oder zum Teil auch ungewöhnlichen Inszenierungen konfrontiert. Wie geht es Dir damit?

„Ich möchte auf der Bühne etwas Schönes sehen, egal ob es klassisch oder modern ist. Ich persönlich geniesse auch die Zusammenarbeit mit modern arbeitenden Regisseuren, solange sie auf der Bühne etwas zeigen, das zum einen die Musik respektiert und zum anderen optisch ansehnlich ist. Auch sollte man als Zuschauer nicht übermässig studieren müssen, was ein Regisseur mit seinen Ideen sagen möchte.

Die Oper ist eine Kunstform, der man mit Logik nicht immer gerecht werden kann, man denke dabei nur an die Handlung des «Trovatore». Daher sollte man nicht mehr in einen Plot hineininterpretieren, als der drinnen ist. Opernhandlungen wiederholen sich im Wesentlichen, es geht um Liebe, Intrigen, Rache … Der Rahmen ist dabei nicht immer glaubwürdig, deshalb ist es mir umso wichtiger, diese Emotionen musikalisch glaubwürdig zu vermitteln. Deshalb habe ich Probleme mit szenischen Herangehensweisen, die sich gegen ein Werk richten. Guy Joosten mit dem ich in Brüssel eine wunderbare moderne, jedoch stets die Musik respektierende Lucrezia Borgia und die Lucia erarbeiten durfte hat einmal zu mir gesagt: (lachend) « Viele Regisseure möchten gerne das auf der Bühne zeigen, was sie im realen Leben nicht tun können».

Grundsätzlich hatte ich aber mehrheitlich mit den Regisseuren, mit denen ich zusammenarbeiten durfte grosses Glück. Ich durfte in der wunderschönen Referenzproduktion von La Traviata durch Liliana Cavani an der Mailänder Scala auftreten, aber auch die Proben mit Franco Zeffirelli 2005 in Tel Aviv zu La Traviata waren phantastisch. Zudem wird mir mein Auftritt als Micaëla in Carmen in seiner mustergültigen Regie in der Arena di Verona immer in Erinnerung bleiben.

Dasselbe gilt auch für die Anna Bolena von Graham Vick, in der ich in Lissabon auftreten durfte. Diese war modern, aber intelligent inszeniert, mit wunderschönen, stilechten Kostüme der englischen Art. Die Produktion wirkte trotz ihrer Modernität deshalb sehr authentisch.  Da ich die Bolena so sehr liebe, war dies eine ganz besondere Erfahrung. Und hier in Zürich gab es einmal eine Inszenierung der Schweigsamen Frau von Jonathan Miller in der ich als Aminta aufgetreten bin. Das war eine so schöne Inszenierung, dass ich immer daran denken muss….“

Elena Moşuc: "Ich möchte auf der Bühne etwas Schönes sehen" Teil 2.
Il Corsaro. Zurich, 2009.
Du bist ja in Zürich einmal in einer sehr ungewöhnlichen Zauberflöte aufgetreten, die auch im Fernsehen ausgestrahlt wurde….

(laut lachend) „…Du meinst die Geschichte mit dem Kühlschrank? Ja das war eine lustige Erfahrung. Ich bin zu den Proben gekommen und habe gesagt, das wird mein 250. Auftritt als Königin der Nacht.

Daraufhin meinte der Regisseur Martin Kusej, er werde in dieser Inszenierung mit mir etwas machen, was ich als Königin der Nacht sicherlich noch nie gemacht habe. Es war eine ungewöhnliche Erfahrung, aber hat im Grossen und Ganzen als solches gepasst…“

An welche Meilensteine Deiner Karriere denkst du ganz besonders gerne zurück?

„Ich erinnere mich an die wunderbare Zeit, in der ich in Essen als häufiger Gast engagiert war. Der leider kürzlich verstorbene und von mir so sehr bewunderte Maestro Stefan Soltesz hat mich damals auf Händen getragen. Er hat so wunderbare Produktionen wie I Puritani in der Regie des damals noch unbekannten Stefan Herheim in einer äusserst opulenten Ausstattung oder Luisa Miller in der Regie von Dietrich Hilsdorf extra für mich angesetzt. Letztere Oper habe ich übrigens auch 2012 an der Mailänder Scala unter der Leitung von Maestro Gianandrea Noseda singen dürfen. Wir kennen uns seit unserer gemeinsamen Arbeit an La Traviata in Torino seit vielen Jahren gut.“

Elena Moşuc
Maria Stuarda, Zürich, 2003
Elena Moşuc
Linda di Chamounix, Zürich, 1996

Wir haben zudem zusammen auch die Lucia in Torino und die Norma in Savonlinna im Jahr 2016 gemacht. Eine ganz besonders schöne Erfahrung war für mich zudem auch die Zusammenarbeit mit dem Komponisten Flavio Motalla, der extra für meine Stimme komponiert hat. Ich habe seine Musik in dem Album «L’amore è Poesia» 2016 mit dem Royal Philharmonic Orchestra unter John Scott eingespielt.

Unvergesslich auch mein Auftritt als Zerbinetta bei den Salzburger Festspielen 2012. Ich habe damals die Urfassung singen dürfen, inklusive des hohen Fis… Ich habe so viele schöne Erinnerungen an meine zahlreichen Auftritte an der Scala, der Arena di Verona, der Metropolitan Opera, dem Liceu in Barcelona, Bilbao, Wien, Berlin, München und Paris….“

Welche Rollen planst Du entsprechend deiner stimmlichen Entwicklung als nächstes?

„Ich werde im Frühjahr mein Rollendebut als Adriana Lecouvreur in Liège geben. Ein ganz grosser Traum für mich wäre zudem die Elisabetta in Roberto Devereux, die einzige von Donizettis Tudor-Königinnen, die ich noch nicht gesungen habe. Diese Rolle scheint wie für meine Stimme geschrieben. Ich werde demnächst in Belgrad Norma wieder mit Maestro Savic singen, zudem steht gemeinsam mit ihm mein Debut als Odabella in Attila an. Ich habe zudem die Magda in La Rondine und die Desdemona konzertant gesungen. Während eine szenische Desdemona in Catania geplant ist, besteht diese Möglichkeit für La Rondine derzeit noch nicht, obwohl mir diese Rolle besonders am Herzen liegt. 

Ferner hoffe ich noch eines Tages die Imogene in Il Pirata zu singen, aber auch die Amelia in Un Ballo in Maschera würden mich sehr reizen. Und dann gibt es da noch eine Rolle, auf die ich sehr hoffe, sie eines Tages zu singen: Aida. Auch bei dieser Rolle kann ich mir gut vorstellen, mittels meiner Technik Dramatik zu erzeugen, aber auch meine Herkunft aus dem Belcanto würde mir bei dieser Partie sehr zugute kommen. Und dann, wenn ich eines Tages am Ende meiner Karriere angekommen bin, habe ich den Traum die Tosca zu singen.“

Elena Moşuc: "Ich möchte auf der Bühne etwas Schönes sehen" Teil 2.
Die schweigsame Frau. Zürich, 2010. ©Suzanne Schwiertz
Was waren in Deiner langen Karriere Erfahrungen auf die Du lieber verzichtet hättest?

„Da waren zwei stressige Erfahrungen, die mit Einspringen verbunden waren. Ich habe hier in Zürich alternierend mit Edita Gruberova die Rolle der Zerbinetta in der Ariadne gesungen und die Eine hätte für die Andere einspringen sollen, falls eine von uns krank wird. Parallel bestand jedoch ein Engagement als Königin der Nacht in Düsseldorf. Ich bin am Morgen dieses Tages nach Düsseldorf geflogen, aber kaum war ich dort angekommen, hat mich Grischa Asagaroff angerufen und mir mitgeteilt, dass Edita Gruberova abgesagt hatte. Ich musste mittags umgehend wieder zurück nach Zürich fliegen.

Etwas Ähnliches ist mir auch einmal an der Scala passiert. Ich habe mit Angela Gheorghiu in der Rolle der Violetta alterniert und sollte bis zum Ende der Serie bleiben, falls sie absagen sollte. Ich hatte jedoch parallel bereits verpflichtende Proben für die Konstanze in der Entführung aus dem Serail in München. Die Scala hatte mir am Ende doch erlaubt nach München zu fliegen. Kaum war ich dort angekommen hat mich die Scala angerufen, mit der Nachricht, dass Angela abgesagt hat. Du kannst Dir den Rest sicherlich vorstellen….“

Werden wir Dich auch in Zukunft wieder in Zürich erleben dürfen?

„Ich hoffe es! Die Wiederaufnahme von Il Trovatore war ein grosser Erfolg – eine Vorstellung mit tosendem Applaus.  Der Intendant und die Leitung des Opernhauses waren da und alle waren ebenfalls total begeistert.  Ich würde mich sehr freuen, wenn diese Aufführungen ein Neuanfang für mich in Zürich wären… Wir werden sehen…“

Marco Aranowicz

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Marco Aranowicz

EDITOR-IN-CHIEF

MARCO ARANOWICZ IS BASED IN ZURICH. HE IS GOING TO THE OPERA SINCE THE AGE OF TEN, AND HE LIVES FOR THE GREAT ITALIAN OPERA REPERTORY.

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