Das Rheingold in Zürich
Das Rheingold von Richard Wagner (1813-1883). Vorabend zum Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen. Libretto von Richard Wagner.
Musikalische Leitung Gianandrea Noseda; Inszenierung Andreas Homoki; Wotan Tomasz Konieczny; Donner Jordan Shanahan; Froh Omer Kobiljak; Loge Matthias Klink; Fricka Patricia Bardon; Freia Kiandra Howarth; Erda Anna Danik; Alberich Christopher Purves; Mime Wolfgang Ablinger-Sperrhacke; Fasolt David Soar; Fafner Oleg Davydov; Woglinde Uliana Alexyuk; Wellgunde Niamh O’Sullivan; Flosshilde Siena Licht Miller; Philharmonia Zürich; Statistenverein am Opernhaus Zürich
Musik: 4*
Inszenierung: 3,5*
Mit der Premiere des Rheingolds begann am vergangenen Wochenende die mit Spannung erwartete Neu-Inszenierung von Richard Wagners Hauptwerk Der Ring des Nibelungen am Opernhaus Zürich. Stolz wies das Opernhaus Zürich zu dieser Gelegenheit auf die Tatsache hin, dass Richard Wagner mehrere Jahre seines Lebens in Zürich verbrachte und während dieser Zeit die dichterische und kompositorische Arbeit am «Ring» mit grossen Schritten Gestalt annahm. Dementsprechend ambitioniert fiel auch die Neuinszenierung des Intendanten Andreas Homoki und des Generalmusikdirektors Gianandrea Noseda aus. So begann der Abend – wie beim Rheingold üblich – im völlig abgedunkelten Raum mit jenem mystischen Es-Dur-Akkord, aus dem in der Folge Wagners vielschichtige Partitur erwuchs und durch das für Zürcher Verhältnisse ungewohnt grosse Orchester musikalisch geformt wurde. Gianandrea Noseda entlockte der ausgezeichnet disponierten Philharmonia Zürich einen dramatisch-leidenschaftlichen Grundton, der die italienische Herkunft des Züricher Generalmusikdirektors zu keinem Zeitpunkt verleugnete. Das bekam Wagners Werk uneingeschränkt gut. Mit viel Pathos formte Noseda Wagners berühmte Leitmotive und betonte die Rolle der Bläser im Orchester.
Mit viel Spannung, Gefühl für die komplexen Harmonien und Rhythmen arbeitete er zum einen für die Rheintöchter-Szene eine fast spielerhafte Leichtigkeit heraus, während er in der Nibelheim-Szene durch die Betonung ihrer schillernden Klangfarben für einen wahren musikalischen Höhepunkt sorgte. Dieses meisterhafte Dirigat, dass den Vergleich mit berühmten Vorgängern nicht scheuen braucht, setzte mit einem musikalisch prunkvollen Einzug der Götter nach Walhall einen unvergesslichen Schlusspunkt und entwickelte einen magischen Sog. Mit Tomasz Konieczny stand als Wotan ein äusserst erfahrener Interpret auf der Bühne. Mit kernigem Bassbariton sang und spielte er eine beeindruckende Charakterstudie des machtgierigen Göttervaters. Matthias Klink gab mit hellem, individuell gefärbten Charaktertenor einen präsenten und schlauen Loge, der seiner Rolle vollauf gerecht wurde. Patricia Bardon verkörperte mit sattem Mezzosopran die Fricka, während die lieblich singende Kiandra Howarth als Freia aufhorchen liess. Jordan Shanahan und Omer Kobiljak machten als Donner und Froh stimmlich und darstellerisch äusserst gute Figuren. David Soar gab mit markantem Bass einen verliebten, (fast zu) schön singenden Riesen Fasolt, während es seinem brutalen Bruder Fafner von Oleg Davydov etwas an der bedrohlichen Tiefe mangelte.
Der Nibelung Alberich war in seiner zentralen Rolle zwischen Täter und Opfer bei Christopher Purves in den allerbesten Händen, wobei er mit exzellenter Intonation ein empathisches Rollenportrait dieser komplexen Figur zeichnete. Wolfgang Ablinger-Sperrhacke trumpfte als Mime in seiner kurzen Szene mächtig auf. Mit warmem würdigen Alt verkörperte Anna Danik die Urmutter Erda und berührte mit ihrer Arie «Weiche, Wotan, Weiche» zutiefst, wobei sie ihre Phrasen technisch perfekt strömen lassen konnte. Uliana Alkeyuk, Niahm O’ Sullivan und Siena Licht Miller sangen und spielten ein hinreissendes Rheintöchter-Trio Woglinde, Wellgunde und Flosshilde.
Zurückhaltende Inszenierung
Überraschend zurückhaltend hatte Andreas Homoki seine Inszenierung gehalten. Der Intendant und Regisseur des Opernhauses hatte bereits im Vorfeld verkündet, bei dieser Neuproduktion keine weitere Neu-Interpretation oder Deutung auf die Bühne zu bringen, sondern die Geschichte des Ringes geradlinig und fantastisch zu erzählen. Dabei sollte der «Ring» gewissermassen zurück zu seinen Ursprüngen in Zürich geführt werden. Ausgehend von einem weissen bürgerlichen Zimmer des 19. Jahrhunderts, wie man sie in vielen herrschaftlichen Villen Zürichs immer noch antreffen kann, entstehen auf der virtuos rotierenden Drehbühne die Situationen ganz aus der Musik und Situation heraus und entfalten so ihre Wirkung ganz aus dem Umfeld der Werkentstehung (Ausstattung : Christian Schmidt).
Die Kostüme verorten das Geschehen ebenfalls angedeutet in der Entstehungszeit des Werkes. Das ist Dank der ausgezeichneten Personenregie über weite Strecken äusserst unterhaltsames Theater, wobei sich bei der Erscheinung des Wurmes in Nibelheim klassischer Theaterzauber im besten Sinne entfaltet. Für die Rheintöchterszene und den Einzug der Götter nach Walhall hätte ich mir jedoch eine etwas überraschendere Bühnenlösung gewünscht, um den vielversprechenden szenischen Ansatz Homokis zu seiner vollen Geltung zu bringen. Das Publikum spendete am Ende dieser zweiten Aufführung nach der Premiere allen Beteiligten stehende Ovationen. Man darf nach dieser äusserst interessanten Aufführung gespannt sein, wie Zürichs neuer Ring des Nibelungen im September mit der Walküre fortgesetzt wird.