Tristan und Isolde

Tristan und Isolde Genève

Handlung in drei Aufzügen. Musik von Richard Wagner. Libretto von Richard Wagner. Erstaufführung am 10. Juni 1865 am Nationaltheater (Bayerische Staatsoper) München. Besuchte Vorstellung: 22. September 2024, Grand Théâtre de Genève Vorstellung: 27.09.2024.
Musikalische Leitung: Marc Albrecht
Inszenierung: Michael Thalheimer
Tristan (Tenor): Gwyn Hughes Jones
Isolde (Sopran): Elisabet Strid
König Marke (Bass):  Tareq Nazmi
Brangäne (Mezzosopran): Kristina Stanek
Kurwenal (Bariton): Audun Iversen
Melot (Tenor): Julien Henric
Stimme eines jungen Seemanns (Tenor): Emanuel Tomljenović
Ein Steuermann (Bariton): Vladimir Kazakov
Chor des Grand Théâtre de Genève
Orchestre de la Suisse Romande
Regie 2 **
Musik 3 ***

Multifunktionale Lampenwand
Beim Betreten des grossen Saals des «Grand Théâtre de Genève» erblickte man bei offenem Vorhang eine grosse, leere Bühne mit einer Wand aus einer Vielzahl an kreisrunden, Gong-ähnlichen Strukturen, welche sich dann als dimmbare Lampenentpuppten. Diese «Lampenwand» konnte auch angewinkelt oder hochgehoben werden und als Dach/Baldachin dienen. Die «Lampenwand» wurde im Laufe der drei Aufzüge mit verschiedenen Lichtstärken eingesetzt. Teilweise leuchteten nur einzelne Lampen, manchmal nur zwei Reihen und manchmal die ganze «Lampenwand». Das Farbspektrum reichte von bernsteinfarben bis gleissendes, klinisches weiss, welches beispielweise während «Isoldes Liebestod» eingesetzt wurde. Je nach Beleuchtungsstärke ergab dies den Effekt einer Aufreihung von bernsteinfarbenen Donuts oder zum Schluss wie eine Aufreihung von unzähligen OP-Lampen. Die Lichtwand erinnerte an eine Installation in einem Kunstmuseum, welche man wohl mit Interesse für zehn Minuten betrachten würde, um dann in den nächsten Raum weiterzugehen. Was zunächst wirkungsvoll begann, verlor schnell an Faszination, zumal auch kein Bezug zum Werk festzustellen war.

Man war dann doch etwas ernüchtert, als man sich gewahr wurde, dass die Lichtwand uns im zweiten, wie auch im dritten Aufzug weiter begleiten würde. Der einzige Moment, in welchem die Lichtregie eine Entsprechung mit der Handlung bzw. mit dem gesungenen Inhalt zeigte, war als im zweiten Aufzug Isolde sang «sie [die Fackel] zu löschen zag’ ich nicht», wonach alle Lichter der Wand ausgingen, was dann dem Werkkundigen doch etwas Freude bereitete.

Schwarz
Die Bühne selbst war schwarz gehalten und weitgehend leer, abgesehen von einem schwarzen Block, welcher im ersten Aufzug von der Seite hereingefahren wurde und wohl ein Schiff hätte darstellen sollen. Zu verschiedenen Zeitpunkten wurde auch mit Tauen hantiert, was möglicherweise Mühsal symbolisieren sollte, wobei auch redundant erschien.

Kontemporäre Alltagskleidung
Wie die Bühne war auch die Inszenierung/Personenregie von Michael Thalheimer äusserst reduziert, sodass man sich im Programmheft vergewissern musste, dass man sich nicht in einer semi-konzertanten Aufführung befindet. Zu diesem Effekt trugen auch die kontemporäre Alltagskleidung bei, welche auch von Leuten in Publikum hätte getragen werden können, wenn auch in etwas anderen Farben. So trug der Tristan bequem aussehende, gewöhnliche mattschwarze Hosen und ein ebensolches Hemd, Kurwenal einen beigen Anzug mit passender Fliege, Brangäne einen Hosenanzug, welche auch von der Bedienung in einem Wiener Kaffeehaus getragen werden könnte, der König ein gewöhnliches Hemd und eine ebensolche Hose sowie einen grossen crèmefarbenen Mantel etc. Lediglich dem Kostüm der Isolde wurde mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Sie trug im ersten Aufzug eine Adaptation eines Hochzeitskleides, im zweiten Aufzug eine schwarze Dirndl-ähnliche Robe und im letzten Aufzug ein Abendkleid. Dies passte nicht zur Handlung und erschwerte es, sich in das Werk einzufühlen.

Tristan und Isolde

Unbefriedigend
Die Personenregie war unbefriedigend. Eigentlich im Dialog stehende Sänger starrten in entgegengesetzte Richtungen oder befanden sich an den entgegengesetzten Enden der Bühne. Einiges wurde angedeutet (Ziehen von Tauen etc.), ohne dass verständlich wurde, was mit den Gesten gemeint war. Überflüssig erschien, dass sich im zweiten Aufzug Tristan und Isolde beim Liebesduett die Pulsadern aufschnitten oder dass sich im letzten Aufzug Isolde kurz vor ihrem Schlussgesang mit einem Messer über den Hals fuhr, um dann ihr «Mild und leise» blutüberströmt zu singen. Diese konkreten Handlungen wirkten isoliert und verloren, zumal sich der Rest der Inszenierung im Angedeuteten bewegte. Eine der wenigen Stellen, an welchen ein «echter» Dialog zu beobachten war, war beispielsweise beim Spottlied von Kurwenal (köstlich Audun Iversen), welcher Brangäne gegenüberstand, die ihm wiederum, etwas albern-infantil, die Zunge herausstreckte.

«Westwärts schweift der Blick»
Aus gesanglicher Sicht begann die Oper äusserst vielversprechend mit der mit wunderschön lyrisch-melancholischer Stimme, geschmackvoller Phrasierung und perfekter Diktion vorgetragenen Weise «Westwärts schweift der Blick» (Emanuel Tomljenović in der Rolle des jungen Seemanns). Im ersten Aufzug wirkte Gwyn Hughes Jones als Tristan etwas eindimensional. Im Laufe der Aufführung gewann er jedoch an Kontur. Im dritten Aufzug gelang ihm die grosse Szene mit den Fieberfantasien gesanglich und auch schauspielerisch auf sehr beeindruckende Weise. Hierbei ist hervorzuheben, dass Gwyn Hughes Jones gesanglich keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigte und bis zum Schluss alle Schwierigkeiten der mörderisch schweren Rolle mit frischer, heller Stimme und scheinbarer Leichtigkeit meisterte. Das «O sink hernieder, Nacht der Liebe» gelang ihm wunderschön. An den gemeinsam gesungenen Stellen wurde Elisabet Strid, in der Rolle der Isolde, aber, aufgrund seiner grösseren Lautstärke, etwas ins Abseits gedrängt. Elisabet Strid sang die Rolle der Isolde mit grossem szenischem Einsatz. Sie verfügt eher über die Stimme eines voluminösen, lyrischen Soprans, jedoch nicht über eine hochdramatische Stimme, sodass in den lauten Stellen ihre Stimme etwas mehr Durchschlagskraft hätte haben können. Das Orchester spielte nicht übermässig laut. In der Tiefe war ihre Stimme kaum hörbar. Sie sang jedoch durchgehend intonationsrein und meisterte die schwierigen Tonsprünge beim Wiedersehen mit Tristan im zweiten Aufzug mühelos. Ihr «Mild und leise» gelang sehr innig. Einige Stellen sang sie ohne Vibrato pianissimo, was einen gespenstisch-eindringlichen Effekt erzielte.

Kristina Stanek in der Rolle der Brangäne überraschte, angesichts ihrer zierlichen Gestalt, durch eine grosse voluminöse Stimme. Das sehnsuchtsvolle, betörende Timbre ihrer Stimme verbreitete eine geradezu magisch-hypnotische Wirkung, als sie vom obersten Rang des Hauses ihr «Einsam wachend in der Nacht» sang. Ein Gänsehautmoment und der Höhepunkt der Aufführung. Audun Iversen wurde den Ansprüchen der Rolle des Kurwenal gesanglich und auch darstellerisch vollumfänglich gerecht. So war es eine Freude ihm bei seinem Spottlied «Wer Kornwalls Kron’ und Englands Erb’» zuzuhören und zuzusehen. Auch gelang es ihm, die Facette des treuen und unterstützenden Freundes im dritten Aufzug sehr überzeugend darzustellen. Sehr ergreifend gelang Tareq Nazmi, in der Rolle des König Marke, der grosse Monolog «Tatest du’s wirklich», welchen er mit mächtiger, sonorer Stimme vortrug. Er überzeugte hierbei auch darstellerisch, sodass man in gerne mal als Boris Godunov erleben würde. Julien Henric als Melot und Vladimir Kazakov als Steuermann komplettierten das starke Ensemble.

Der Chor des Grand Théâtre de Genève sang gewohnt präzise und effektvoll, schien jedoch dem Orchester gegenüber etwas zu laut, was vielleicht damit zusammenhing, dass es über Lautsprecher zugespielt wurde.

Tristan und Isolde

Das Orchestre de la Suisse Romande, welches man beispielsweise im Rosenkavalier mit klanglicher Transparenz und Struktur sowie noblem, gepflegtem Spiel hören durfte, wirkte beim Tristan gedämpft-zurückhaltend und in der Akzentuierung etwas ungenau, sodass auch die orchestral sehr wirkungsvollen Schlüsse des ersten und zweitens Aufzugs nicht so beeindruckend gerieten. Das Solo des Englisch Horn zu Beginn des dritten Aufzugs war jedoch wunderschön und ganz allgemein sind die Leistungen der Holzbläser besonders hervorzuheben. Der Schlussakkord der Oper war perfekt intoniert und in der Wirkung so sehr erhaben, dass es für alle Unzulänglichkeiten während der Oper zu entschädigen schien. Das Dirigat von Marc Albrecht wirkte zuweilen richtungslos. Man hatte den Eindruck, er würde das Orchestre de la Suisse Romande ausbremsen wollen. Das Ergebnis war klanglich etwas strukturlos und liess an Spannung vermissen. Normalerweise bombastische Stellen gerieten ungewohnt zahm. Man hätte sich mehr Akzentuierung und Phrasierung gewünscht.

Insgesamt ein eher langweiliger Tristan mit hierfür kompensierenden, beglückenden gesanglichen Leistungen. Diesen galt wohl die etwas überraschende stehende Ovation des Publikums zum Schluss.

Christian Jaeger

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Christian Jaeger

REVIEWER

Christian Jaeger has a passion for the operas of 19th-century Italian composers, is always amazed at how innovative Gluck and Cherubini sound, and loves repertoire companies.

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