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Il Turco in Italia

Gioachino Rossini. Il Turco in Italia. Teatro alla Scala.
Besuchte Vorstellung: 13. Oktober 2021.

 

Selim Erwin Schrott, Donna Fiorilla Rosa Feola, Don Geronio Giulio Mastrototaro, Don Narciso Antonino Siragusa, Prosdocimo Alessio Arduini, Zaida Laura Verrecchia, Albazar Manuel Amati. Coro e Orchestra del Teatro alla Scala. Direttore Diego Fasolis, Regia Roberto Andò.

Musik: **2**
Inszenierung: ****4****

Gioacchino Rossinis 1814 an der Mailänder Scala uraufgeführte Opera Buffa Il Turco in Italia hat immer eine besondere Beziehung zu diesem Haus gehabt. Nach vielen Jahren der Abwesenheit  war die Oper, die bei ihrer Uraufführung wenig erfolgreich war, und sogar als Selbstplagiat der vorgängigen Italiana in Algeri kritisiert worden war, 1955 an die Scala zurückgekehrt, wobei die exemplarische Besetzung mit u.a.  Maria Callas, Sesto Bruscantini und Cesare Valetti unter der musikalischen Leitung von Gianandrea Gavazzeni in der Inszenierung von Franco Zeffirelli  derartigen Eindruck hinterließ, dass dieser Oper schließlich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts doch noch der verdiente Durchbruch gelang. Ein berühmtes Probenfoto der Callas mit Franco Zeffirelli (siehe unten) erinnert bis heute an diese legendäre Premiere. Unter diesen Voraussetzungen besuchte man also umso gespannter die Aufführung dieser Oper an diesem bedeutungsvollen Ort !

Il Turco in Italia
Erio Piccagliani © Teatro alla Scala

Turbulente Liebeskomödie  

Il Turco in Italia ist eine turbulente Liebeskomödie um den türkischen Prinzen Selim, der sich nach Italien begibt, um dort die Sitten und Gebräuche kennen lernen. Wir begegnen zudem  den amourösen Eskapaden der Donna Fiorilla, welche eine Affäre mit Selim beginnt, sowie ihrem Ehemann, dem ältlichen und tölpelhaften Don Geronio. Es kommt zu Verwicklungen und Verwechslungen, und am Ende löst sich alles in Wohlgefallen auf. Ein Werk, so sollte man meinen, das mit seinen kunstvollen Ensembles und schwungvoll komponierten Finali für rundum gute Laune sorgt. Leider war dies bei der besuchten Vorstellung, einer Wiederaufnahme der Inszenierung vom Februar 2020, deren Premiere die letzte Aufführung an der Scala vor dem ersten Lockdown war, nur bedingt der Fall. Dirigent Diego Fasolis machte nämlich bereits in der seltsam verwaschen musizierten  Ouverture, in der ungewöhnlicherweise das Klavier zum Einsatz kam,  klar, dass an diesem Abend kein leichter, unbeschwerter Rossini gespielt werden würde.

Il Turco in Italia
Mastrototaro e Verrecchi. Photo: Brescia e Amisano ©Teatro alla Scala
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Photo: Brescia e Amisano. ©Teatro alla Scala.

Natürlich ist es legitim und spannend, die dunkle Seite dieser Opera buffa zu betonen, doch was unter Fasolis Leitung an diesem Abend aus dem Orchestergraben tönte teilweise schwer wie Blei. Seltsam gewählte und unlogisch wechselnde Tempi, sorgten zudem dafür, dass etwa in dem kunstvoll komponierten Finale des ersten Aktes – sonst ein Höhepunkt eines jeden “Turco” – kaum ein musikalischer Fluss entstehen konnte. Das machte es den Sängern unnötig schwer! In der Rolle des titelgebenden Türken Selim, hatte der sonst so talentierte Erwin Schrott einen rabenschwarzen Tag erwischt. Mit brüchig klingendem, matt-timbrierten Bassbariton orgelte sich der uruguayische Sänger durch die Noten, sodass bereits die effektvolle Auftrittsarie „Cara Italia, alfin ti miro“ kaum nachhaltige Wirkung hinterließ. Auch Rosa Feola ließ als kapriziöse Donna Fiorilla zahlreiche Wünsche offen.  Sie verfügt zwar über einen schön timbrierten Sopran, dem es jedoch an Volumen mangelt. Auch bereiten ihr Rossinis virtuose  Koloraturen Probleme, so bereits in ihrer Cavatina  „Non si dà follia maggiore“, wie auch im Duett mit Selim “Tu m`ami, mia vita”.

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Schrott. Photo: Brescia e Amisano. ©Teatro alla Scala.

Auch völlig verschenkt war stimmlich und darstellerisch die sonst so herrliche Auseinandersetzung mit ihrer Rivalin Zaida am Ende des ersten Aktes, welche dünnstimmig von Laura Verecchia verkörpert wurde. Ungewöhnlich für einen “Turco”, wenn der Don Geronio stimmlich mehr Sexappeal aufweisen kann als der Türke. So geschehen bei Giulio Mastrototaro, welcher seine Rolle mit technisch ausgezeichnet geführten Bass und makelloser Rossini-Intonation in den Arien und Ensembles interpretierte und die Rolle des gehörnten Ehemanns ganz in der Tradition der Commedia dell’Arte spielte. Als Liebhaber der Fiorilla Don Narciso (das Kostüm machte diesem Namen alle Ehre!) gab es ein Wiedersehen mit Rossini-Urgestein Antonio Siragusa, dem zwar die anspruchsvollen Triller und Koloraturen seiner zweiten Arie „Tu seconda il mio disegno“ nach wie vor keinerlei Probleme bereiten, dessen Tenor jedoch mittlerweile einen seltsam blechernes Timbre aufweist. Aufhorchen ließ dagegen der junge Alessio Arduini, der als allgegenwärtiger Poet Prosdocimo eine äußerst  überzeugende Figur machte. Kaum hörbar sang Manuel Amati den Albazar, auf dessen sonst gestrichene Arie im zweiten Akt, man genauso gut hätte verzichten können. Die musikalischen Einschränkungen waren umso bedauerlicher, als dass auf der Bühne der Scala mit Roberto Andòs Inszenierung eigentlich ein stimmiger Rahmen für einen gelungenen Opernabend auf der Bühne stand. Auf der stimmungsvoll-melancholisch beleuchteten, eher schlicht eingerichteten Bühne von Gianni Carluccio ist das Meer fast omnipräsent; es gelingen zudem immer wieder schöne optische Effekte, auch wenn die Personenregie insgesamt eher zurückhaltend ausgearbeitet war. Uneingeschränktes Lob verdienen die aufwändigen und bunten Kostüme von Nanà Cecchi im Stil des frühen 19. Jahrhunderts, welche wunderschöne farbliche Akzente setzen.

Am Ende des fast  dreieinhalbstündigen Abends gab es im mittlerweile wieder deutlich voller besetzten Saal der Scala höflichen Applaus für alle Beteiligten, während Diego Fasolis am Ende auch Buhrufe einstecken musste. Ob sich das musikalische Niveau in kommenden Aufführungen steigern lassen wird?

Marco Ziegler

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Marco Aranowicz

EDITOR-IN-CHIEF

MARCO ARANOWICZ IS BASED IN ZURICH. HE IS GOING TO THE OPERA SINCE THE AGE OF TEN, AND HE LIVES FOR THE GREAT ITALIAN OPERA REPERTORY.

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Chris
Chris
2 Jahre zuvor

Ein bisschen Nachsicht. Nach so langer Abstinenz haben es auch die Sänger schwer. Wobei mir die Inszenierung auch nicht gefallen würde.