Der Rosenkavalier ist eine komische Oper von Richard Strauss mit einem Libretto von Hugo von Hofmannsthal, die im Wien des Rokoko spielt und sich um die Liebe und das Altern dreht. Die Handlung folgt dem jungen Octavian, der von der Marschallin, seiner älteren Geliebten, beauftragt wird, Sophie von Faninal die silberne Rose als Zeichen der Verlobung zu überreichen. Während der Übergabe verlieben sich Octavian und Sophie ineinander, was zu Intrigen, Verwechslungen und schließlich zum Verzicht der Marschallin auf Octavian führt, nachdem sie die tiefe Liebe zwischen den beiden Jungen erkannt hat.
DER ROSENKAVALIER
Musikalische Leitung: Joana Mallwitz
Inszenierung: Lydia Steier
Choreinstudierung: Klaas-Jan de Groot
Die Feldmarschallin Fürstin Werdenberg: auf der Bühne dargestellt von Diana Damrau, von der Seite der Bühne gesungen von Kiandra Howarth
Der Baron Ochs auf Lerchenau: Günther Groissböck
Octavian: Angela Brower
Herr von Faninal: Bo Skovhus
Sophie: Emily Pogorelc
Jungfer Marianne Leitmetzerin: Christiane Kohl
Valzacchi: Nathan Haller
Annina Irène Friedli
Chor der Oper Zürich
Kinderchor
Orchester der Oper Zürich
Statistenverein am Opernhaus Zürich
Besuchte Vorstellung: 17.10.2025 Zürich
Musik: 5*****
Szenische Umsetzung (konzertant): 5*****
Mit der glamourösen Premiere von Der Rosenkavalier Ende September setzte der neue Intendant Matthias Schulz bereits zu Beginn seiner Amtszeit ein starkes künstlerisches Zeichen. Die Aufführung am 17. Oktober war Teil dieser Premierenserie – ein weiterer Höhepunkt, der das grosse Potenzial dieser Neuproduktion eindrucksvoll bestätigte: Hochkarätig besetzt, musikalisch exzellent und szenisch durchdacht.
Regisseurin Lydia Steier verlegt das Werk nicht in eine neue Zeit, sondern belässt es bewusst in jener überhöhten Rokoko-Fantasiewelt, wie sie Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal ursprünglich entwarfen. Ihre Inszenierung basiert auf einer Produktion aus dem Jahr 2004 in Los Angeles, damals unter der Regie von Maximilian Schell. Steier führt diese szenisch weiter, vertieft sie und bringt eigene, charakteristische Akzente ein.
Die Bühne von Gottfried Helnwein – mit kräftigen Farben, stilisierten Räumen und traumwandlerischer Atmosphäre – schafft eine in sich geschlossene Kunstwelt. Sie wirkt nicht historisch, sondern wie ein visuelles Zitat des Rokokos: üppig, dekorativ, aber auch mit einer gewissen ironischen Distanz. Die herrlichen, opulenten Kostüme mit den dazu passenden beeindruckenden Frisuren, unterstreichen diesen Eindruck – verspielt, prachtvoll und bewusst künstlich. Moderne Elemente wie Projektionen und surreale Szenen fügen sich nahtlos ein. Besonders stark wirkt die groteske Sadomaso-Szene im dritten Akt, in der Baron Ochs blossgestellt wird – ein drastischer, aber szenisch überzeugender Moment, der die Fallhöhe der Figur sichtbar macht. Visuelles Glanzstück bleibt die grosse Treppe im zweiten Akt, das Zentrum von Faninals Palais – eine Bühne auf der Bühne, auf der Gesellschaftstheater und emotionale Wahrheit aufeinanderprallen.
Joana Mallwitz dirigiert das Orchester der Oper Zürich mit grosser Präzision, klarem Formbewusstsein und feinem Gespür für Farben und Fluss. Sie verbindet schlanke Transparenz mit schwelgerischem Klang.
Herrlich die Walzerpassage nach „Leopold, wir gehn!“ – glänzend umgesetzt vom Orchester, präzis gespielt, wunderbar musiziert: schwungvoll, mitreissend, mit fulminanten Accelerandi. Das Walzertempo bewegt sich rasch jenseits des Tanzbaren – doch wen interessiert’s? Herrlich! Grossartiges Orchester, grossartige Dirigentin.
Nicht nur begleiten
Interpretation lässt das Orchester nicht nur begleiten, sondern erzählen – mit Raffinement, Leichtigkeit und Dramatik zugleich. Sie beweist einmal mehr, warum sie derzeit zu den gefragtesten Dirigentinnen Europas zählt. Ganz offensichtlich: grosse, erfahrbare Klasse.

Ein Dämpfer folgte gleich zu Beginn: Intendant Matthias Schulz teilte mit, dass Diana Damrau am Morgen der Vorstellung ohne Stimme erwacht sei. Dennoch erklärte sie sich bereit, die Rolle zu spielen – auch wenn sie nicht singen konnte. So musste kurzfristig Ersatz gefunden werden. Fündig wurde man im Ensemble der Staatsoper Hannover: in der Sopranistin Kiandra Howarth, die kurzfristig einsprang und die Partie sang. Wie herrlich sie sang! Mit grosser innerer Reife, klangschönen Bögen, berührenden Piani und makelloser Diktion gestaltete sie eine Frau zwischen Wehmut, Würde und Selbsterkenntnis. Und welch grossartiges Schauspiel von Diana Damrau, die die Rolle szenisch übernahm – mit höchster Präzision und beeindruckender Lippen-Synchronität. Mehrmals vergass man, dass sie selbst nicht sang, so vollkommen verschmolzen Darstellung und Gesang von der Bühnenrampe aus zu einer verblüffenden Einheit.
„Nein, nein, ich trink kein Wein!“
Ein grosses Bravo an beide grossartigen Künstlerinnen! Die Stimme von Frau Howarth hat uns derart begeistert, dass wir gleich ihre weiteren Auftritte nachschlugen – mit Freude stellten wir fest, dass sie im November am Stadttheater Bern in Puccinis Manon Lescaut zu hören sein wird. Ein besonderer Genuss, auf den man sich schon jetzt freuen darf. Angela Brower als Octavian überzeugt mit warmem, farbenreichem Mezzo, klarer Artikulation und jugendlicher Bühnenpräsenz. Ihr Spiel ist lebendig, stellenweise von feinem Humor geprägt – etwa in der köstlich gespielten „Date“-Szene mit dem koketten „Nein, nein, ich trink kein Wein!“ –, ihre Stimmführung souverän, zwischen Liebesverwirrung, jugendlichem Überschwang und echter Zuneigung zu Sophie. Sie phrasiert mit stilistischem Bewusstsein und stets kontrollierter Emotion, ohne je in Sentimentalität zu verfallen. In Momenten des Überschwangs blitzt ein jugendlicher Überschuss an Energie auf, der der Figur glaubhafte Spontaneität und Wärme verleiht.

Emily Pogorelc als Sophie begeistert mit silbrigem Sopran, lyrischer Feinheit und einer Natürlichkeit in ihrer gewinnenden Darstellung, die unmittelbar berührt. Ihre Stimme trägt wunderbar in den Höhen, bleibt dabei stets schlank geführt und von bemerkenswerter Reinheit. In der Gestaltung der Figur findet sie eine überzeugende Balance zwischen mädchenhafter Unschuld und wachsender Eigenständigkeit – besonders im Schlussduett entfaltet sie einen leuchtenden, klaren Klang, der Sophies emotionale Reifung hörbar macht. Ihr Zusammenspiel mit Brower ist von spürbarer gegenseitiger Empfindsamkeit getragen – musikalisch wie szenisch ein wunderbarer Abschluss des Abends.
Günther Groissböck zeichnet einen schicken Baron Ochs – mal im knallig gelben, mal im knallig roten Kostüm, mit dazu passendem Hut und gefärbtem Haar –, bei dem die derbe Grobheit mehr glimmt als lodert und gerade darin ihren Reiz entfaltet. Mag in der Tiefe etwas Volumen und in der Höhe etwas Freiheit fehlen, so überzeugt er doch durch Spielfreude, Charme und eine packende Bühnenpräsenz. Ein Sängerdarsteller von Format.
Besonders hervorgehoben sei Omer Kobiljak als italienischer Sänger im zweiten Akt – eine kurze, aber anspruchsvolle Szene, die er mit strahlendem, in der Tat sehr verdianisch-italienisch klingendem Tenor und makelloser Phrasierung zu einem musikalischen Glanzmoment macht, trotz leichter Unsicherheit im Übergang zur Fermate. Kaum ein anderer Part von solch kurzer Dauer vermag derart aufzuleuchten.
Nathan Haller und Opernhaus-Zürich-Urgestein Irène Friedli bilden als Valzacchi und Annina ein wunderbar eingespieltes Intrigantenpaar – quirlig, wendig und mit sicherem Gespür für Timing und theatralische Wirkung. Ihr Zusammenspiel ist köstlich anzusehen, stimmlich klar konturiert und voller Energie – ein komödiantischer Farbtupfer von höchster Präzision.
Das Ensemble wird durch eine Reihe eindrucksvoll profilierter Nebenrollen bereichert: Christiane Kohl (Jungfer Marianne Leitmetzerin), Peter Lobert (Polizeikommissar), Johan Krogius (Haushofmeister bei der Feldmarschallin / Wirt), Daniel Norman (Haushofmeister bei Faninal), Max Bell (Notar), Rebeca Olvera (Modistin), Sandro Howald (Leopold), die drei adeligen Waisen Sylwia Salamońska-Bączyk, Thalia Cook-Hansen und Cashlin Oostindië, Salvador Villanueva Zuzuarregui (Tierhändler) sowie Utku Kuzuluk, Uwe Kosser, Kristof Dohms und Kai Florian Bischoff (Kellner). Sie alle tragen mit Spielfreude und Präzision zu einem geschlossenen, lebendigen Gesamtbild bei.
Diese Aufführung des Rosenkavaliers ist ein stimmiges Gesamtkunstwerk: Regie, Bühne, Musik und Besetzung greifen in beeindruckender Weise ineinander. Dass Lydia Steier nicht den Zeitgeist bebildert, sondern eine poetische Kunstwelt ernst nimmt, verleiht der Inszenierung Tiefe und Eleganz. Musikalisch steht der Abend unter Joana Mallwitz’ Leitung auf höchstem Niveau, sängerisch ist die Produktion exzellent besetzt – ein langer Opernabend, der nie schwer, sondern stets getragen, lebendig und berührend wirkt.
Das Publikum reagierte mit einer sich in Rekordzeit bildenden stehenden Ovation, langanhaltendem Applaus und grosser Begeisterung. Diese Produktion sollte ein fester Bestandteil des Repertoires werden – ein würdiger und hoffnungsvoller Auftakt für die Intendanz von Matthias Schulz.














