Die Walküre in Basel

Die Walküre


Erster Tag des Bühnenfestspiels ‹Der Ring des Nibelungen› von Richard
Wagner (1813 – 1883), Text von demselben.

Musikalische Leitung: Jonathan Nott
Inszenierung: Benedikt von Peter
Co-Regie: Caterina Cianfarini
Bühne: Natascha von Steiger
Kostüme: Katrin Lea Tag
Kostümmitarbeit: Karoline Gundermann
Lichtdesign: Roland Edrich
Videodesign: David Fortmann
Sounddesign: Robert Hermann
Puppencoach: Manuela Linshalm
Sprachcoach: Pia Lux
Dramaturgie: Roman Reeger
Siegmund: Ric Furman
Hunding: Artyom Wasnetsov
Wotan: Nathan Berg
Sieglinde: Theresa Kronthaler
Fricka: Solenn` Lavanant Linke
Brünnhilde: Trine Møller
Helmwige: Lucie Peyramaure
Gerhilde: Sarah Marie Kramer
Ortlinde: Katharina Willi
Waltraute: Jasmin Etezadzadeh
Siegrune: Valentina Stadler
Rossweisse: Camille Sherman
Grimgerde: Sophie Kidwell
Schwertleite: Marta Herman
Erda: Hanna Schwarz
Donner: Michael Borth
Froh: Ronan Caillet
Mime: Karl-Heinz Brandt
Sinfonieorchester Basel

Besuchte Vorstellung: 9. Juni 2024, Theater Basel

Musik: 5*****
Regie: 2**

Die Walküre

Inszenierer Benedikt von Peter, Intendant am Theater Basel, und Co-Regisseurin Caterina Cianfarini sprachen im Programmheft von ihren Konzepten einer Rückblende der Geschichte des Rings aus der Sicht Brünnhildes, von Familienaufstellungen, Mehrgenerationenkonflikten und Träumen. Diese muteten sehr frei assoziiert und fragmentarisch an. Die Kohärenz schien gesucht. .Das Resultat auf der Bühne war verwirrend. Nach Heben des Vorhangs begann die Oper mit einem melancholisch-resigniert anmutenden Kommentar Brünnhildes aus dem Off. Währenddessen sassen die acht Walküren um einen Gusseisentopf, welcher über einem Feuer hing. Dann erst setzte die Musik ein. Im ersten Aufzug erschienen nicht nur Sieglinde, Sigmund und Hunding, sondern auch bereits Fricka, Wotan, Mime und Loge, welche entweder umhergingen, beobachteten, mit dem Rücken zum Publikum standen oder auch mal laut und verächtlich lachten. Der sehr beindruckende Sieglindenschrei von Theresa Kronthaler entstand nicht aus Entzückung, als Siegmund es schaffte, das Schwert aus der Esche zu ziehen, sondern als Hunding sie just in diesem Moment von Hinten packte, über seine Schulter warf und davontrug. So kam es gar nicht zur Vereinigung zwischen den beiden. Konsequenterweise wurde dies im Handlungsbeschrieb des Programmhefts einfach weggelassen. Dort stand lediglich: «Sigmund zieht das Schwert, das fortan den Namen Nothung trägt, aus dem Stamm». Fertig. Der musikalisch dargestellte Höhepunkt am Schluss des ersten Aufzugs fand hiermit szenisch keine Entsprechung. Siegmund war alleine mit der Weltesche.

Die Walküre in Basel
Die Walküre in Basel: Foto Ingo Hoehn

Wiederholt gab es Momente, in welchen man sich Erläuterungen als Projektionen an die Rückwand der Bühne oder als Hologramme direkt neben die entsprechenden Szenen/Situationen gewünscht hätte. Denn alleine mit Studium von Libretto und Programmheft und Besuch der Einführung der Oper war die Logik nicht zugänglich. So zupften während den wunderbar frei klingenden «Hojotoho»-Rufen Brünnhildes (Trine Møller) am Anfang des zweiten Aufzugs die Walküren an ihrem Rock und sangen sogar einige ihrer Passagen. Dann erschienen immer wieder, während der ganzen Oper, situationsfremde Personen (Loge, Mime, Erda, Brünnhilde als Kind, Siegmund oder Siegfried als Kind), was zu einer Unruhe auf der Bühne führte und die Auftritte der singenden Protagonisten fast nebensächlich erscheinen liess. Immer wieder passte das Szenische nicht zum gesungenen Text und insbesondere nicht zur Stimmungsfarbe der Musik. Witzig, putzig und aber ebenfalls erklärungsbedürftig war die kleine Puppenbühne, von welcher Wotan kleine Puppen in der Gestalt Fafners, Fasolts oder der Rheintöchter holte, an welchen das am Holztisch sitzende Mädchen, wohl die junge Brünnhilde im Schulalter, keinen Gefallen fand. Dass Wotan im dritten Aufzug mit seinem Speer nicht nur Siegmund, sondern auch gleich Hunding tötete, überraschte dann auch nicht weiter. Optisch sehr reizvoll war jedoch der Auftritt eines riesigen Bärs mit Brustpanzer und Schwert am Schluss der Oper. Bedeutung auch hier unklar. Die Kostüme (Katrin Lea Tag) waren stilistisch mannigfaltig. Fricka sah in ihrem Morgenmantel wie eine Hausfrau der 50er-Jahre aus, Wotan erschien in aktueller Kleidung, manchmal aber auch mit Pelzmantel und Speer, die Walküren ästhetisch jeweils in Schwarz und Hunding zuweilen mit Sonnenbrille und langem Ledermantel und erinnerte dabei etwas an Morpheus in «The Matrix».

Die Einheitsbühne (Natascha von Steiger) war nüchtern gestaltet, mit einem auf der riesigen Bühne linksseitig stehenden zweistöckigen Haus im Rohbau, einem zuvorderst auf der Bühne befindlichen, lang gezogenen Holztisch mit passenden  Stühlen sowie der Weltesche mit steckendem Schwert im Hintergrund. Dankenswerterweise verschaffte sie szenisch etwas Orientierung hinsichtlich der aktuellen Oper, zumal Haus im Rohbau und Holztisch in etwa 30 verschiedene ernste Opern oder Ballette gepasst hätten.

Die Walküre in Basel
Die Walküre in Basel: Foto Ingo Hoehn

Leider wurde das Klangerlebnis des Symphonieorchesters Basel etwas eingeschränkt, da der Orchestergraben nicht zum Publikum hin offen war,  sondern sich etwa in der Mitte der riesigen Bühne, von einem Gitter überdeckt, befand, wobei sich die Sänger zum Singen meist vor diesem Gitter aufhielten, sodass man sie besonders deutlich und klar hören konnte. In Bezug auf das Orchester führte dies zu einem eher monophonen Klangerlebnis, da man den Eindruck hatte, dass der Klang aus einer offenstehenden Türe eines Nebenraumes in den Saal drang. Trotz der klanglichen Einschränkungen war das mitreissende Orchesterspiel höchster Güte klar zu erkennen. Jonathan Nott erwies sich als grossartiger Wagner-Dirigent, mit einem ausserordentlichen Sinn für das genau richtige Tempo und Timing. Er schuf einen transparenten, wohlstrukturiert-kultivierten Klang, was auch die Sänger unterstützte, hervorragende gesangliche Leistungen zu erbringen.
Die Sänger waren allesamt ausgezeichnete Schauspieler, welche sich mit grossem Einsatz in ihre Rollen einbrachten. Ric Furman als Siegmund verfügte über einen schön timbrierten, kräftigen Heldentenor, mit welchem er den lyrischen Anforderungen der Rolle vollumfänglich gerecht wurde, stets mit grosser Sensibilität und Musikalität singend, aber auch mit gewaltigen, lange ausgehaltenen Wälserufen zu beeindrucken wusste. Theresa Kronthaler als Sieglinde begeisterte mit tadelloser Diktion und mit einer lieblichen, verletzlichen Rollengestaltung. Ihre einzigartige, für die Rolle der Sieglinde eher untypische Stimme (gemäss ihrer Website ein Mezzosopran) nutzte sie auf fesselnde Weise, beispielsweise durch überraschende Wechsel in die Bruststimme bei einzelnen Passagen. Sie schaffte es in der musikalischen Gestaltung ihrer Rolle viele interessante Aspekte abzugewinnen. Eine sehr spannende Sängerin. Artyom Wasnetsov erwies sich als grossartiger Schauspieler und spielte einen bedrohlich-gefährlichen Hunding und beeindruckte stimmlich mit einem mächtigen und kultiviert geführten Bass. Trine Møller sang die Rolle der Brünnhilde auf scheinbar mühelose, unermüdliche Weise, mit einer goldenen, warmen, voluminösen Stimme, welche etwas an die Stimme der Maria Slătinaru Nistor erinnerte und welche man sehr gerne auch im italienischen Fach hören würde, beispielsweise als Forza-Leonora. Die «Hojotoho»- Rufe waren präzise ausgesungen, intonationsrein und der Triller wurde dem Publikum nicht vorenthalten. Die Schlussszene mit Wotan gestaltete sie äusserst rührend, wobei ihre Rollengestaltung stets etwas Melancholisches, Verletzliches hatte. Solenn’ Lavanant Linke gestaltete eine leichtstimmig wirkende, jedoch stets gut hörbare, wohlkingende, verständliche und optisch elegante Fricka, wobei auch sie über sehr gute schauspielerische Qualitäten verfügte, beispielsweise als sie sich im zweiten Aufzug sehr realistisch mit Wotan stritt. Nathan Berg als Wotan wirkte gegen Ende des dritten Aufzugs etwas kurzatmig und es schien, als würde er für die hohen Noten all seine Kräfte mobilisieren müssen. Alles in allem jedoch ein stimmlich und schauspielerisch überzeugendes Rollenpotrait.

Die Walküre in Basel
Die Walküre in Basel: Foto Ingo Hoehn

Ein echter Höhepunkt war die grandiose Leistung der Walküren im Walkürenritt, wobei jede der Walküren über eine frei schwingende, fokussierte Stimme verfügte,
welche zusammen sehr gut harmonierten und eine veritable Klangmauer bildeten. Katharina Willi sprang für eine erkrankte Kollegin ein und sang die Rolle der Ortlinde mit Notenständer vom Bühnenrand aus. Es bereitete grosses Vergnügen, ihre kräftige, stahlende Sopranstimme aus einer anderen Ecke des Raums zu hören, was ein besonderes Klangerlebnis bewirkte. Zusammenfassend hätte man sich in Basel eine in der Deutung schlichtere, weniger ambitiöse, auf das Wesentliche der Handlung konzentrierte beziehungsweise eine dem Textbuch treuere Inszenierung gewünscht. Die musikalische Qualität des Symphonieorchesters Basel, das herausragende Dirigat Jonathan Notts und die fabelhaften Sänger/Schauspieler überwiegen die szenischen Unzulänglichkeiten um ein Vielfaches und lohnen den Weg nach Basel allemal. Das Publikum spendete zurecht begeisterten Applaus.

Christian Jaeger

 

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Christian Jaeger

REVIEWER

Christian Jaeger has a passion for the operas of 19th-century Italian composers, is always amazed at how innovative Gluck and Cherubini sound, and loves repertoire companies.

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