Der Rosenkavalier inszeniert von Christoph Waltz

DER ROSENKAVALIER

Komödie für Musik von Richard Strauss
Libretto von Hugo von Hofmannsthal
Erstaufführung am 26. Januar 1911 in Dresden

Musikalische Leitung: Jonathan Nott
Inszenierung: Christoph Waltz
Bühne: Annette Murschetz
Kostüme: Carla Teti
Lichtdesign: Franck Evin
Chorleitung: Alan Woodbridge

Die Feldmarschallin, Fürstin Werdenberg: Maria Bengtsson
Oktavian, genannt Quin-Quin: Michèle Losier
Baron Ochs auf Lerchenau: Matthew Rose
Herr von Faninal: Bo Skovhus
Sophie von Faninal: Mélissa Petit
Valzacchi, ein Intrigant: Thomas Blondelle
Annina, seine Begleiterin: Ezgi Kutlu
Jungfer Marianne Leitmetzerin, ihre Duenna: Giulia Bolcato
Ein italienischer Sänger: Omar Mancini
Ein Polizeikommissar: Stanislas Worobjow
Der Haushofmeister bei der Feldmarschallin: Louis Zaitoun
Der Haushofmeister bei Faninal: Marin Yonchev
Ein Notar: William Meinert
Ein Gastwirt: Denzil Delaere

u.a.

Chor des Grand Théâtre de Genève
Orchestre de la Suisse Romande

Besuchte Vorstellung: Premiere, 13. Dezember 2023, Grand Théâtre de Genève

Fotos: © Grand Théâtre de Genève

Musik: 4*
Regie: 4*

Dass der österreichisch-deutsche Hollywood-Star und zweifache Oscar-Preisträger Christoph Waltz am Grand Théâtre de Genève eine Oper inszeniert, wird nur auf den ersten Blick überraschen. Weiss man jedoch um seine Wiener Herkunft und Lebensgeschichte, überrascht dies schon weit weniger. So wird Christoph Waltz wohl schon während seiner Kindheit in Wien in seiner Familie – der Vater war deutsche Bühnenbildner, die Mutter eine österreichische Kostümbildnerin und seine Grossmutter mütterlicherseits Burgtheater- und Stummfilmschauspielerin – die Werke von Hugo von Hofmannsthal und von Richard Strauss kennengelernt haben und deren Werke später wohl auch auf dem Gymnasium und / oder während der Schauspielschule am «Max Reinhardt Seminar» studiert haben.

Das Bühnenbild von Annette Murschetz liess von der ersten Szene an erkennen, welches Werk gespielt wurde. So erblickte man nach Heben des Vorhangs die Schlafgemach-Szene, wie man sich diese vorstellen würde, mit der Feldmarschallin und Oktavian in einem für Aristokraten angemessenen Bett schmusend. Ja, genau so sollte der Rosenkavalier beginnen. Es handelte sich um ein Einheitsbühnenbild, welches jedoch gekonnt mit verschiedenen Gegenständen, Möbeln etc. in weitere Räumlichkeiten umgewandelt werden konnte, nämlich in das Haus des Herrn von Faninal und in ein Wirtshaus. Das Dekor und die Möbel liessen einen barock-klassizistischen Stil erkennen, jedoch liess sich die Epoche nicht genau festmachen, da immer wieder stilfremde moderne Elemente entdecken liessen. Das Bühnenbild machte einen frischen Eindruck, mit leichten Farben und einer die Wirkung der Leichtigkeit unterstützenden Beleuchtung (Lichtdesign: Franck Evin). Wirklich äusserst ästhetisch.

Rosenkavalier Genf

Auch die geschmackvollen, bunten Kostüme von Carla Teti passten hervorragend um Bühnenbild und umgekehrt. Auch hier glaubte man zu Beginn, die Roben der Feldmarschallin und Oktavians betrachtend, dass sich die Inszenierung für einen barock-klassizistischen Stil entschieden hatte, doch im weiteren Verlauf zeigten die Kostüme der weiteren Personen, beispielsweise Sofies, Anninas und des Herrn von Faninal, dass sich Carla Teti doch nicht auf einen bestimmten Stil festlegen wollte. So war die elegante Robe Sofies eher in den 50er-Jahren anzusiedeln, die Kostüme Anninas und des Herrn von Faninal dagegen eher in den 40er-Jahren.

Rosenkavalier Genf 3

Die Inszenierung von Christoph Waltz zeugte von grossem Verständnis des Werkes und von viel Respekt für das Werk, welche der Geschichte erlaubte, sich mit dem Fluss der Musik zu entfalten. Besonders überzeugend war er in der Gestaltung der Zweierszenen, beispielsweise in der zärtlich-erotischen Dynamik der sich Liebenden – Feldmarschallin und Oktavian – zu Beginn der Oper oder im gehässigen Gespräch zwischen Sophie und ihrem Vater im zweiten Akt, welche eine fast realistische Intensität erreichte, dank der sehr lebhaften Sophie von Mélissa Petit und des furchteinflössend streng wirkenden Herrn von Faninal von Bo Skovhus. Weniger überzeugend war die Inszenierung der Szenen, in welchen mehrere Personen auf der Bühne waren und eine quirlig-betriebsam-chaotische Atmosphäre entstehen sollte, beispielsweise im ersten Akt beim morgendlichen Empfang im Schlafgemach der Feldmarschallin, mit den Bittstellern, den drei adligen Waisen, den Intriganten, der Modistin, dem italienischen Sänger etc., oder im dritten Akt, die chaotische Szene im Wirtshaus, mit der Frau und den Kindern, welche sich als Baron Ochs Familie ausgeben, dem Wirt und den Kellnern, welche von Baron Ochs das geschuldete Geldeinfordern, den Musikanten, der Polizei etc. Diese Szenen können bei entsprechender Gestaltung eine äusserst komisch-erfrischende Wirkung entfalten. Leider gerieten diese Szenen etwas ungelenk-steif-statisch, was wohl dem Umstand geschuldet war, dass die verschiedenen Darsteller, sofern sie nicht gerade mit ihrem Einsatz beschäftigt waren, auf der Bühne nicht recht zu wissen schienen, wie sie sich die Zeit vertreiben sollten. Grösstenteils entschied man sich einfach für regloses Rumstehen. Dies traf insbesondere auch auf den Chor zu, welcher zwar vorzüglich sang (Chorleitung: Alan Woodbridge), choreografisch aber nicht viel zu bieten hatte. Die einzigen beiden Darsteller, welche ein wunderbares Gegenbeispiel lieferten, sprich, welche ihre Rolle auch dann weiterspielten, wenn sie gerade einmal nicht im Mittelpunkt standen, waren die einnehmend komische Ezgi Kutlu, in der Rolle der Annina und die mit kräftig strahlender Stimme singende Giulia Bolcato in der Rolle der Jungfer Marianne Leitmetzerin, der Duenna Sophies.

© Grand Théâtre de Genève
© Grand Théâtre de Genève

Maria Bengtsson in der Rolle der Feldmarschallin sang mit grosser Würde und wusste mit ihren flutenden Pianissimi, ihrem kultivierten Legato-Singen und ihrer strahlenden Höhe im Schluss-Trio zu begeistern. Aus musikalischer und stimmlicher Sicht war Michèle Losier in der Rolle des Oktavian sehr gewinnend, in der Darstellung aber etwas unterkühlt und in der Textverständlichkeit eher approximativ. Auch die Textverständlichkeit von Matthew Rose als Baron Ochs auf Lerchenau war nicht ohne Weiteres gegeben und dies bei einer Rolle, bei welcher der Vortrag über weite Strecken parlando geschieht. Man fragt sich, ob eine Rolle wie die des Baron Ochs, bei welcher die eigentümlich- wienerische Sprache einen Grossteil des Reizes ausmacht, überhaupt zufriedenstellend von einem des Wienerischen nicht Mächtigen dargestellt werden kann. Interessanterweise ist ein leichter Akzent bei der Rolle der Feldmarschallin gar nicht störend beziehungsweise verleiht ihr hier vielleicht auch den Nimbus einer Frau von Welt. Baron Ochs muss hingegen rustikal-deftig daherkommen und das tut der schönstimmige, tapsig-sympathische Baron Ochs von Mathew Rose eben nicht, sodass man einfach schmunzeln muss, wenn die Feldmarschallin ihm «Da geht er hin, der aufgeblasene, schlechte Kerl» hinterherruft. Sehr überzeugend war der Bo Skovhus in der Rolle des Herrn von Faninal, welchen er als strengen, unerbitterlichen und egoistischen Patriarchen präsentierte. Zudem war es eine grosse Freude, bei seinem Vortrag jedes Wort verstehen zu können und nicht auf die französische Übersetzung zurückgreifen zu müssen, welche, wohlgemerkt, in Teilen nicht dem Sinn des deutschen Originaltextes entsprach. Leider ist dies ein verbreitetes Problem in Opernhäusern. Man würde sich doch sehr wünschen, dass diese es sich zur Gewohnheit machten, jeweils zusätzlich zur Übersetzung auch den Originaltext einzublenden, insbesondere bei Opern, bei welchen der Text für das Verständnis sehr wichtig ist. Optisch und klanglich war Mélissa Petit in der Rolle der Sophie bezaubernd, ihre hohen Töne in dem berühmten Duett «Mir ist die Ehre widerfahren» von geradezu magischer Schönheit. Nicht unerwähnt bleiben soll Omar Mancini in der Rolle des italienischen Sängers, welcher, in einem «Farinelli»-Kostüm, seine berühmte Arie «Di rigori armato il seno», mit einem leichten melancholischen Unterton, wunderschön sang, mit grossem Atem und meisterlichem Legato. Man hätte ihn bei dieser Arie gerne etwas lauter gehört beziehungsweise das Orchester etwas leiser. Beim Rosenkavalier freut man sich immer auf den schwungvollen Beginn in den Hörnern, welcher nicht laut und jauchzend genug sein kann, und so war man in diesem Falle etwas enttäuscht, da es schien, als ob Jonathan Nott die Hörner zur Zurückhaltung anhielt. Auch in der Walzersequenz im Operfinale hätte man sich über etwas mehr Schwung und eine grössere Lautstärke, insbesondere bei den Hörnern, gefreut. Die Darbietung des Orchestre de la Suisse Romande war im Ganzen jedoch sehr erfreulich und zeichnete sich aus durch klangliche Transparenz und Struktur sowie nobles, gepflegtes Spiel. Hervorzuheben ist das grossartige Spiel der Flöten (Soloflötist Loïc Schneider), welche die äusserst virtuose Einleitung von «Di rigori armato il seno» mit atemberaubender Bravour meisterten. Das Publikum spendete grosszügigen, wohlwollend-warmen Applaus. Einzelne Zuschauer liessen es sich nicht nehmen, ihre Freude stehend kundzutun. Insgesamt ein sehr sehens- und hörenswerter Rosenkavalier.

Christian Jaeger

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Christian Jaeger

REVIEWER

Christian Jaeger has a passion for the operas of 19th-century Italian composers, is always amazed at how innovative Gluck and Cherubini sound, and loves repertoire companies.

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Marie
Marie
9 Monate zuvor

Lieber Christian Jaeger , kleine Korrektur,
Solo Flötistin war aber nicht Sarah – aber Loic ….
http://www.osr.ch

Marco Aranowicz
9 Monate zuvor
Reply to  Marie

Dear Marie thanks a lot for the correction. Could you let us know the name of the correct fluctist, so we could change in our text.

Assia Vabre
Assia Vabre
9 Monate zuvor

Dear Christian,thank you very much for your opinion!