La fille du régiment. München.
Musikalische Leitung: Stefano Montanari, Inszenierung: Damiano Michieletto, Chor: Christoph Heil, Marie: Pretty Yende, La Marquise de Berkenfield: Dorothea Röschmann, La Duchesse de Crakentorp: Sunnyi Melles, Tonio: Xabier Anduaga, Sulpice: Misha Kiria, Hortensius: Martin Snell, Ein Korporal: Christian Rieger, Ein Landmann: Dafydd Jones, Bayerisches Staatsorchester, Bayerischer Staatsopernchor
La fille du régiment. München.
Damiano Michieletto ist ein Regisseur, der sich in der Welt des Regietheaters einen Namen gemacht hat, indem er konsequent die Erwartungen und Bedürfnisse des Publikums missachtet. Statt sich an der traditionellen Opernsprache zu orientieren, stellt er immer wieder Werke auf den Kopf, um sie durch radikale, oft verstörende Modernisierungen neu zu deuten – auf eine Weise, die häufig in krassem Widerspruch zu dem steht, was diese Werke aussagen. Dies zeigte sich besonders deutlich in seiner misslungenen „Aida“ an der Bayerischen Staatsoper im Mai 2023, die nicht nur bei den Zuschauern, sondern auch in der Presse auf starke Ablehnung stieß. Die Inszenierung, die mit brutal modernen und oft destruktiven Elementen konfrontierte, führte zu nahezu einheitlichem Widerstand. Die Frage, ob Michieletto jemals wieder in einem Haus von solchem Rang und Tradition wie der Bayerischen Staatsoper willkommen wäre, schien berechtigt. Doch entgegen allen Erwartungen wurde er erneut eingeladen – diesmal für Gaetano Donizettis „La Fille du Régiment“.
Michieletto zeigte sich von einer anderen Seite
Und dieses Mal zeigte sich Damiano Michieletto bei dieser Produktion von einer völlig anderen Seite als bei seiner „Aida“. Seine Inszenierung von „La Fille du Régiment“ setzte auf klare, symbolträchtige Bilder, ganz in der Tradition der Opera Buffa und der Opéra comique. Er entwarf eine visuelle Sprache, die geschickt zwischen Realismus und Symbolismus oszillierte und beließ die Handlung – gemäß dem Libretto – im Kontext der napoleonischen Kriege in Tirol zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Bühne von Paolo Fantin war bewusst einfach gehalten: Der erste Akt eröffnete mit einem fast märchenhaften Waldprospekt, der mit der dramatischen Entscheidung, dass Marie abreisen muss, von den Soldaten zerstört wurde. Der zweite Akt entfaltete sich in einem elegant eingerichteten Schlosszimmer, das den Kontrast zwischen der Welt des Adels und der rauen Welt der Soldaten verdeutlichte. Am Ende der Inszenierung, als Marie und Tonio schließlich zueinanderfinden, wird diese Trennung zwischen Stadt und Land aufgelöst. Die beiden Welten – die einfache, naturnahe Welt des Volkes und der Soldaten sowie die einstmals glanzvolle Welt des untergehenden Adels – finden wieder zusammen, als das Paar vereint ist.
Die historischen Kostüme von Agostino Cavalca verdienen höchste Anerkennung. Cavalca hat es meisterhaft verstanden, die Ästhetik des frühen 19. Jahrhunderts mit einer präzisen Detailtreue ganz im Sinne der Opera Buffa und der Commedia dell’Arte zu entwerfen, was die Charaktere der Oper lebendig werden ließ. Vor diesem Hintergrund verdient die Arbeit der Kostümwerkstätten großes Lob für die kunstvolle Umsetzung der Entwürfe des Kostümbildners.
Sunnyi Melles (die Herzogin) kommentierte die Geschehnisse mit bitterem Humor
In diesem Ambiente entwickelt der Regisseur das Bühnengeschehen ganz aus der Musik heraus. Während der berühmten Ouvertüre erleben wir, wie die Soldaten des 21. französischen Regiments den Säugling Marie im Wald finden. Eine interessante Wendung nahm die Inszenierung in der Erzählweise: Die Handlung wurde rückblickend aus der Perspektive der Duchesse de Crakentorp erzählt. Die Herzogin, brillant von der großen Schauspielerin Sunnyi Melles gespielt, kommentierte die Geschehnisse mit bitterem Humor und füllte die kurzen Erzählpassagen, die an die Stelle der gesprochenen Dialoge traten, aus der Perspektive des untergehenden Adels.
Die Sängerinnen und Sänger der Premiere waren eine wahre Freude. Pretty Yende als Marie stand mit ihrem glockenklaren, hellen Sopran und ihren spektakulären Koloraturen im Mittelpunkt der Aufführung. Sie brillierte nicht nur musikalisch, sondern auch darstellerisch, als sie mit Energie und Witz auf der Bühne agierte, Holz hackte, mit Waffen hantierte, tanzte und auf der Harfe spielte. Xabier Anduaga als Tonio harmonierte bestens mit Yende. Mit seinem eleganten, tenoralen Material und einer mit Leichtigkeit und bester Technik geführten Stimme begeisterte er rundum. Seine Arie „Ah! mes amis, quel jour de fête!“ sang er mühelos und präzise und begeisterte mit den virtuos gesungenen, berüchtigten neun hohen Cs, wie es einst der junge Luciano Pavarotti bei seinem internationalen Durchbruch tat. Misha Kiria als Sulpice konnte ebenfalls überzeugen: Mit viel komödiantischem Talent und einem sicher geführten Bass füllte er die Bühne mit Leben. Dorothea Röschmann, die als Marquise de Berkenfield auftrat, zeigte sich von ihrer besten Seite und begeisterte das Publikum mit ihrem dunklen, volltönenden Sopran. Ihre Darstellung der Marquise, die gleichzeitig streng und verletzlich ist, war berührend und mit tiefem Verständnis für diese Figur im imposanten Rokoko-Kostüm gespielt.
Lebendige, rhythmische Passagen
Die Nebenrollen von Martin Snell als Hortensius, Christian Rieger als Korporal und Dafydd Jones als Landmann bereicherten La Fille du Régiment mit humorvollen Darbietungen. Stefano Montanari führte das Bayerische Staatsorchester temperamentvoll. Die Musiker brillierten sowohl in den spritzigen, rhythmusgeladenen Passagen des Werkes, die die Energie des Soldatenlebens perfekt einfingen, als auch in den lyrischen Momenten, die die zarte, emotionale Seite der Oper zur Geltung brachten. Besonders gelungen war die Balance zwischen dem heiteren, teils fast augenzwinkernden Ton der Oper und den gefühlvollen, belcanto-orientierten Momenten, die die Eleganz und Leichtigkeit von Donizettis Musik bewahrten.
Die am Ende für alle Beteiligten heftig bejubelte Premiere von La Fille du Régiment an der Bayerischen Staatsoper war ein gelungener Abend, der sowohl die musikalische Raffinesse als auch die humorvolle Leichtigkeit von Donizettis Oper in vollen Zügen präsentierte. Ist Regisseur Damiano Michieletto nach dieser werktreuen Regiearbeit etwa geläutert? Die Zukunft wird es zeigen. Jedenfalls scheint es wahrscheinlich, dass diese „Regimentstochter“ das Repertoire der Bayerischen Staatsoper für die nächsten 30 Jahre bereichern wird und ihren Platz an der Seite der mustergültigen, langlebigen Inszenierungen von Il Barbiere di Siviglia und La Cenerentola finden wird.