LES CONTES D’HOFFMANN
Zürich
Ein neuer „Hoffmann“ am Opernhaus Zürich war überfällig. Die Vorgänger-Inszenierung hatte zwar erst im Frühjahr 2010 Premiere, aber man erinnere sich, von was für einer Pannenserie die damalige Premiere überschattet war: Erst erkrankte der vorgesehene Regisseur Thomas Langhoff kurz vor Probenbeginn schwer und wurde durch den damaligen Spielleiter Grischa Asagaroff ebenso kurzfristig ersetzt, wie Elena Mosuc, die unmittelbar vor der Premiere absagte und das Opernhaus alle drei Frauenrollen kurzfristig ersetzten musste. Während Regisseur Asagaroff sich mit dem unterkühlt-abstrakten Bühnenbild, das nicht für ihn konzipiert war, schwertat und den Chor durch Müllhaufen stöckeln ließ, zerbröselte die musikalische Seite unter den uneinheitlichen Gesangsleistungen von Vittorio Grigolo und den vier eingesprungenen Damen, welche teilweise vom Bühnenrand aus singen mussten. Einzig Laurent Naouri als Bösewichter und das zupackende Dirigat des ehemaligen Tonhalle-Chefs David Zinmann retteten diesen verunglückten Abend.
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Hoffmann: Saimir Pirgu, La Muse / Nicklausse: Alexandra Kadurina, Olympia: Katrina Galka, Antonia: Ekaterina Bakanova, Giulietta: Lauren Fagan, Stella: Erica Petrocelli, Lindorf / Coppélius / Le docteur Miracle / Le capitaine Dapertutto: Andrew Foster-Williams, Andrès / Cochenille / Frantz / Pitichinaccio: Spencer Lang, Maître Luther: Valeriy Murga, Hermann: Yannick Debus, Nathanaël: Omer Kobiljak, Wolfram: Andrei Skliarenko, Wilhelm: Oleg Davydov, Spalanzani: Iain Milne, Crespel: Wieland Satter, La Voix de la tombe: Judith Schmid, Peter Schlémil: Thomas Erlank, Philharmonia Zürich, Chor der Oper Zürich, Musikalische Leitung: Antonino Fogliani, Inszenierung Andreas Homoki
Musik: *4* Inszenierung: *4*
Die Produktion ist bis Ende April als Video on Demand verfügbar.
Der Stream startet ca. bei 15.50 Minuten.
Und so war es Intendant und Regisseur Andreas Homoki hoch anzurechnen, unter den erschwerenden Corona-Bedingungen nicht kapituliert zu haben, und für das Opernhaus eine Inszenierung erschaffen zu haben, die Jaques Offenbachs letzter und berühmtester Oper voll gerecht wird. Im düster-reduzierten Bühnenbild von Wolfgang Gussmann und Kostümen der Biedermeier-Zeit, also der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, spielt sich in diesem Live-Stream im Wesentlichen alles so ab, wie es Offenbach und Jules Barbier gedacht hatten. Auf der schachbrettartigen Spielfläche stehen die Sänger immer voll im Zentrum des Geschehens. Die wenigen Requisiten weisen dabei genau auf die Spielorte hin: Ein Weinfass, ein Sofa für Olympia, ein Flügel für Antonia, der effektvoll zu ihrem Tod umkippt, sowie ein Lüster, um das Venedig des Giulietta-Akt anzudeuten. In diesem Ambiente ist alles ganz auf die Wirkung der Musik ausgerichtet, wobei dankenswerte zahlreiche Striche geöffnet wurden. Dabei hatte man jedoch auf das erst in den 90er Jahren entdeckte lange Finale des Giulietta Aktes verzichtet.
Zur Schlussapotheose deutet Homoki vorsichtig eine Versöhnung zwischen Hoffmann und seiner angebeteten Stella, die in der gewählten Fassung sogar singen darf, an. Die Statisterie, welche an Stelle des aus dem Probenhaus zugespielten Chores auf der Bühne spielte, zeigte sich über den gesamten Abend sehr engagiert und es bleibt zu hoffen, dass eines Tages, wenn Corona vorbeigeht, der Chor wieder Teil dieser Inszenierung werden wird.
Saimir Pirgu in der Titelrolle besitzt noch nicht das Format der langen und extrem anspruchsvollen Titelrolle ganz gerecht zu werden. Während das „Kleinzack“ und der erste Akt noch vielversprechend klangen, hätte ich mir im Antonia-Akt mehr Süße und im Giulietta-Akt mehr Stahlkraft und Glanz gewünscht, wobei das ein oder andere technische Defizit unüberhörbar zeigte, dass der Hoffman für Pirgu noch einige Jahre zu früh gekommen ist. Dennoch spielte der sympathische Sänger den ganzen über mit großer Leidenschaft und Engagement.
Ihm zur Seite stand während des ganzen Abends eine mit glutvollem Mezzo singende Alexandra Kadurina als Muse/Niklausse, deren Geigenarie im dritten Akt einen wohltuenden Moment der Besinnung darstellte. Katrina Galka brillierte als Olympia mit großer Virutosität, das Uhrwerk im Inneren des Automaten wurde sehr wunderbare Weise musikalisch hörbar. Ekatarina Bakanova sang eine lyrische Antonia die bereits in der Arie „Elle a fui“ ihren Sopran strömen und im Schlussterzett dieses Aktes ihre Stimme mit dem warmen Mezzo von Judith Schmid als in der Erscheinung ihrer Mutter verschmelzen ließ. Lauren Fagan gab eine erotische Giulietta im prächtigen roten Kostüm und zeigte in ihrer erst kürzlich entdeckten Arie „L’Amour lui dit“, dass diese Rolle eigentlich für einen leichten Koloratursopran geschrieben wurde – und nicht wie früher häufiger praktiziert mit einem Mezzosopran besetzt werden sollte. Erica Petrocelli ließ als Stella bei ihrem kurzen Einwurf im Epilog aufhorchen. Weniger glücklich war man da leider mit Andrew Foster-Williams, dessen Bassbariton zwar kräftig ertönte, jedoch Erotik und Dämonie, welche Lindorf, Coppélius , Docteur Miracle und Dapertutto verkörpern sollten, weitgehend vermissen ließen. Spencer Lang dagegen nutzte sein gesamtes komisch-tragisches Talent um den vier Dienern Andrès, Conchenille, Frantz und Pitichinaccio Glaubwürdigkeit zu schenken. Auf sehr hohem Niveau hatte das Opernhaus sämtliche kleinere Rollen besetzt.
Der aus dem Probenhaus zugespielte Chor war von Janko Kastelic einstudiert worden, wobei ich mir bei den Saufliedern des ersten Aktes und dem berühmten Chor der Gäste im Olympia Akt etwas mehr vokale Präsenz gewünscht hätte. Das Gleiche galt teilweise auch für die zugespielte Philharmonia Zürich, die unter der Leitung von Antonino Fogliani sehr abwechslungsreich und akzentuiert spielte. Vielleicht musste man hier durch den „Stream im Stream“ gewisse klangliche Abstriche machen?
Insgesamt ist dieser Hoffmann jedoch höchst sehenswert. Es wird spannend sein, ihn in den kommenden Jahren unter normalen Bedingungen zu erleben, wenn sich die Besetzung eingespielt hat.