Don Carlo in Frankfurt

Don Carlo

Don Carlo. Oper in fünf Akten. Komponist: Giuseppe Verdi. Text von Camille du Locle, Uraufführung am 11. März 1867, Erstaufführung der fünfaktigen italienischen  Fassung  1886 am Teatro Communale di Modena.

Musikalische Leitung: Thomas Guggeis; Inszenierung: David McVicar; Don Carlo: Otar Jorjikia; Elisabetta: Magdalena Hinterdobler; Filippo II. : Andreas Bauer Kanabas; Eboli: Dshamilja Kaiser; Rodrigo: Domen Križaj; Il Conte di Lerma / Herold; Michael Porter; Tebaldo:  Bianca Andrew; Il Grande Inquisitore: Simon Lim; Un Frate: Thomas Faulkner; Una voce dal cielo: Kateryna Kasper; Chor der Oper Frankfurt OpernMuseumsorchester Frankfurt.

Besuchte Vorstellung 22.10.2023

Musik:*****
Regie: ****

David McVicars Inszenierung von Giuseppe Verdis Oper Don Carlo in der 5-aktigen italienischen Fassung von 1886 («Modena-Fassung») hatte bereits im September 2007 ihre gefeierte Premiere an der Oper Frankfurt. Sie wich bereits damals mit ihrem schlichten, jedoch gleichzeitig auch monumentalen Bühnenbild von Robert Jones, sowie den wunderschönen, historischen Gemälden nachempfundenen Kostümen von Brigitte Reiffenstuel, deutlich von dem meist in Frankfurt gepflegten, eher modernen Inszenierungsstil ab und stellt sich ganz in den Dienst von Giuseppe Verdis Musik. So zeigt die Bühne bereits im Fontainebleau-Akt einen gigantischen Raum aus weissen Ziegelsteinen, der  Macht und Kälte demonstriert und virtuos mit Aussen- und Innenansichten spielt. Zunächst ist die Bühne nach hinten hin noch offen, man sieht Schneeflocken rieseln, es sieht für einen Moment so aus, als wäre für das unglückliche Liebespaar aus Don Carlo und Elisabetta so etwas wie Freiheit und eine Perspektive möglich. Doch als Elisabetta dazu gedrängt wird, aus Staatsraison ihre Liebe zu dem spanischen Infanten aufzugeben und dessen Vater, König Filippo II. zu heiraten, schliessen sich in dem Raum auch diese letzten Ausgänge. Die Bühne verkommt zu einem bedrohlich wirkenden, klaustrophobisch anmutendem Un-Ort, an dem die Bedrohung durch die Inquisition allgegenwärtig scheint, was sich nicht zuletzt in dem fast gespenstisch ausgeleuchteten Autodafé und der Grossinquisitorszene (Licht: Joachim Klein) niederschlägt. Im zweiten Teil des Abends gelingt es dann dem Regieteam durch einfache aber geschickte Bühnentricks, wie der verkleinerung des Raumes durch einen Vorhang, die Intimität herzustellen, die das sich im Kabinett des einsamen Königs entwickelnde Drama erfordert.

Don Carlo
DON CARLO | Giuseppe Verdi | Wiederaufnahme 07.10.2023 | Oper Frankfurt Foto: Barbara Aumueller.

Einziger wirklicher Kritikpunkt dieser gelungenen, und im vergangenen Jahr in weiterentwickelter Form auch an der Metropolitan Opera gezeigten Regiearbeit bleibt der Schluss: Anstelle Carlo Libretto-gemäss durch den geheimnisvollen Mönch, in dem die anderen Charaktere Kaiser Karl V. erkennen zu glauben, vor dem Zugriff der Inquisition zu retten, sinkt der Infant tödlich verletzt auf einem altarähnlichen Gebilde in der Mitte der Bühne zu den aufwühlenden musikalischen Schlussakkorden nieder. Schade! Hatte Giuseppe Verdi doch, trotz der zahlreichen Umarbeitungen dieser Oper, die Rettung Carlos durch den Mönch stets beibehalten und so am Ende dieser düsteren Oper doch ein bewusst hoffnungsvolles Ende mit Interpretationsspielraum für den Zuschauer gesetzt.

Don Carlo
DON CARLO | Giuseppe Verdi | Wiederaufnahme 07.10.2023 | Oper Frankfurt Foto: Barbara Aumueller.

Höchste Ansprüche stellt Giuseppe Verdis Oper auch an den Chor. Unter der Leitung von Tilmann Michael gelang es dem Chor der Oper Frankfurt mit Genauigkeit und Transparenz ein prächtiges Klangbild zu erzeugen. Da war der chromatisch anmutende Hymnus «Inni di festa» im Fontaineblau-Akt so gestaltet, dass trotz des festlichen Inhaltes keine echte Freude aufkam, während   der berühmte Autodafé-Chor «Spuntato ecco il dì», sowie die eruptiven Einsätze während des Volksaufstandes die Möglichkeit boten, mit voller Klangpracht und Spielfreude zu überzeugen. Unter der Leitung des neuen Frankfurter Generalmusikdirektors, des jungen Dirigenten Thomas Guggeis, spielte das Frankfurter Oper- und Museumsorchester mit grösster Konzentration und Inspiration.

Da glühten Verdis schönste Melodien vor Spannung und Leidenschaft, da war Verdis kunstvolle Instrumentation mit ihren düsteren Blechbläsereinsätzen, den warmen Phrasen des Solo-Cellos meisterhaft gegenübergestellt, da umflirrte die Harfe die Vision des sterbenden Rodrigo von einem besseren Spanien, um nach diesem Moment des Innehaltens in das Crescendo des Volksaufstands in seiner vollen Wucht zu münden.

Don Carlo
DON CARLO. Giuseppe Verdi. Frankfurt. Foto: Barbara Aumueller

Musikalisch hatte das Opernhaus Frankfurt bei der aktuellen Wiederaufnahme ein Sänger-Ensemble engagiert, das den hohen Ansprüchen, die Verdis monumentale Partitur an Solisten, Chor und Orchester stellt, auf bewundernswerte Weise gerecht wurde. Andreas Bauer Kanabas verlieh mit markantem, schwarz timbrierten Bass dem König Filippo II. im ersten Teil der Oper harte, autoritäre Charakterzüge, um dann mit seinem elegisch vorgetragenen „Ella giammai m’amó“ voller lyrischer Wärme ganz für sich einzunehmen. So wurde die Zerrissenheit des einsamen und letztlich vor der Inquisition machtlosen absolutistisch herrschenden Monarchen in seiner ganzen Tragik deutlich. Mit kräftigem, klaren und warm timbrierten Sopran und fast überirdisch schönen Piani begeisterte Magdalena Hinterdobler als Elisabetta di Valois rundum. Von fast bedrückender Innigkeit gelangen ihre Einwürfe im Quartett des vierten Aktes bei denen sie ihre Fremdheit am spanischen Königshof beklagte, sowie ihre grosse, berührende Arie des fünften Aktes. Mit Otar Jorjikia stand ein junger Sänger für Titelrolle zur Verfügung, der bereits auf eine beachtliche internationale Karriere zurückblicken kann. Er liess mit seinem kräftigen dunkel-timbierten  Tenor, sicheren Höhen und schönem Vibrato aufhorchen und begeisterte in den zahlreichen Duetten und Ensembleszenen, die der Tenor in dieser Oper zu singen hat. Da bedauerte man, dass Carlo als Titelheld nur über eine relativ kurze Arie zu Beginn der Oper verfügt, die Jorjikia jedoch vollumfänglich nutzte, um mit seinen stimmlichen Qualitäten zu überzeugen. Einen wirklich ausgezeichneten Rodrigo hatte die Oper Frankfurt zudem  mit Domen Križaj aufgeboten, der mit kräftigem italienisch geschulten heroisch klingendem Bariton jede einzelne Note seiner anspruchsvollen Partie mit Leben erfüllte und das Publikum mit einer bewegenden Todesszene berührte. Als intrigante Prinzessin Eboli konnte Dshamilja Kaiser mit sicher geführtem Mezzosopran glaubhaftes Profil, wobei ihr sowohl die anspruchsvollen Koloraturen des Schleierliedes als auch die Ausbrüche des «Oh Don fatale“ bestens gelangen und die sich im Finale des vierten Aktes mit einem markant herausgeschleuderten „Va, Fuggi“ aus dem Stück verabschiedete. Mit ihrer imposanten Struktur und roter Lockenfrisur verlieh sie dabei der Figur zusätzliche Glaubwürdigkeit. Mit Simon Lim hatte ein erfahrener Sänger die Partie des Grossinquisitors übernommen, der die Chance nutzte, um sich mit dem König ein gewaltiges Duell der schwarzen Bässe zu liefern und die Wirkung dieser Szene sichtlich diabolisch auskostete. Thomas Faulkner sang mit balsamischen Bass- Kantilenen einen musikalisch glaubwürdigen Mönch/ Kaiser Karl V. Rundum ausgezeichnet präsentierten sich die Comprimari: Bianca Andrew verlieh als Page Tebaldo und Überbringer der schlechten Nachricht, dass Elisabetta Königin von Spanien werden solle « Siete Regina» tragische Bedeutung, während Einspringer Michael Porter in der Doppelrolle als Graf Lerma und königlicher Herold dem König im vierten Akt in grosser Dramatik die Botschaft vom rebellierenden Volk übermittelte. Als Stimme vom Himmel konnte Kateryna Kasper mit glockenhellem Koloratursopran, an das grausige Spektakel des Autodafés, bei dem nicht nur Ketzer, sondern auch Bücher dem Feuer zugeführt wurden,  einen tröstlichen Schlusspunkt setzen.

Don Carlo
DON CARLO | Giuseppe Verdi | Wiederaufnahme 07.10.2023 | Oper Frankfurt Foto: Barbara Aumueller.

Am Ende dieses mitreissenden Opernabends, feierte das applausfreudige Publikum alle Mitwirkenden überschwänglich mit stehenden Ovationen. Die Reise nach Frankfurt für eine der wenigen verbleibenden Vorstellungen kann nur wärmstens empfohlen werden.

Marco Aranowicz

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