Mit Otto Schenk verlieren wir einen der bedeutendsten Opernregisseure der letzten Jahrzehnten. Viele seiner Inszenierungen sind bis heute aus dem Repertoire der großen Opernhäuser nicht wegzudenken und haben sich als unvergängliche Meisterwerke in der Operngeschichte etabliert. Besonders hervorzuheben ist seine unverwüstliche „La Bohème“ von 1969 an der Bayerischen Staatsoper, die auch nach über 50 Jahren nach wie vor ausverkauft ist. Wo immer seine Inszenierungen abgesetzt wurden, hinterließen sie schmerzliche Lücken. Diese Lücken sind nicht nur emotional, sondern auch künstlerisch nicht zu füllen.
Dies gilt insbesondere für den legendären Münchner „Rosenkavalier“ von 1972, dessen Bühnenbild von Jürgen Rose und Schenks Regie bis heute als Maßstab für Werkgerechtigkeit und Sensibilität in der Inszenierung gilt. Auch seine „Rusalka“ von 2014 an der Metropolitan Opera mit Renée Fleming bleibt unerreicht – ein Höhepunkt der Aufführungskunst, bei dem keine Inszenierung mehr so wahrhaftig und schön war wie diese. Unvergessen bleibt auch sein wahrhaftiger Ring des Nibelungen in New York, bei dem jede noch so aufwändige Nachfolgeinszenierung verblasst. Das berühmte Bild des Regenbogens aus dem Rheingold, entworfen von Günther Schneider-Siemssen, setzt Richard Wagners Vision so um, wie er sie einst gemeint hatte. Dass Wagnerianer aus Regietheater-Deutschland extra für diesen Ring über den Atlantik flogen, war eine Marktlücke, die der finanziell angeschlagenen Met in Zeiten rückläufiger Besucherzahlen heute sicherlich geholfen hätte.
Seine letzte Regiearbeit an der Wiener Staatsoper – das „Schlaue Füchslein“ von 2014 – war ein Triumph, der seine unermüdliche Kreativität und sein tiefes Verständnis für Musik und Drama unterstrich. Ein weiteres Meisterwerk, das nicht nur das Werk selbst, sondern auch die Herzen der Zuschauer ergriff.
Otto Schenk 1930 – 2025
Besonders bemerkenswert war auch seine Zusammenarbeit mit Anna Netrebko im Jahr 2006 für „Don Pasquale“ an der Metropolitan Opera. Dieses unschlagbare Team gilt in der Opernwelt bis heute als unerreicht. Otto Schenk stellte sich stets in den Dienst des Werkes, was ihn zu einer Rarität in der Welt der Opernszene machte. Gemeinsam mit Franco Zeffirelli und Pier Luigi Pizzi gehörte er zu den letzten Mohikanern der werkgerechten Opernregie.
Wir werden ihn nicht nur als großen Künstler, sondern auch als Menschen vermissen – seinen Humor, der in Sketchen wie der „Tosca auf dem Trampolin“ unvergesslich war, und seine Menschlichkeit, die sich in jeder Regieanweisung und jedem Detail widerspiegelte. Otto Schenk hat uns mit seiner Kunst unvergessliche Stunden in der Oper beschert.
Eine Ära ist zu Ende gegangen. Wir sind traurig über den Verlust, aber zugleich zutiefst dankbar für das Erbe, das er hinterlässt – ein Erbe, das die Opernbühnen noch lange prägen wird. Ruhe in Frieden, lieber Otti!
Marco Aranowicz