- Donna Leonora: Anna Netrebko
- Don Alvaro: Yusif Eyvazov
- Don Carlo di Vargas: George Petean
- Padre Guardiano: Michele Pertusi
- Preziosilla: Annalisa Stroppa
- Fra Melitone: Roberto Frontali
- Trabuco: Tomislav Jukic
- Marchese di Calatrava: Stanislav Vorobyov
- Curra: Natália Tuznik
- Regie: Valentina Carrasco
- Bühnenbild: Carles Berga (Mitarbeit: Mariangela Mazzeo)
- Kostüme: Silvia Aymonino
- Videos: Massimiliano Volpini
- Licht: Fabrice Kébours
- Dirigent: Gianandrea Noseda
- Chorleitung: Klaas-Jan de Groot
Szene: 2,5 Sterne, Musik 4

Mit der zweiten Premiere der Spielzeit, Giuseppe Verdis La forza del destino, setzte das Opernhaus Zürich einen glanzvollen Höhepunkt. Nach vielen Jahren kehrte Anna Netrebko an das Haus am Sechseläutenplatz zurück – ein Ereignis, das bereits im Vorfeld für große Aufmerksamkeit sorgte. Fünf restlos ausverkaufte Vorstellungen und eine gespannte Atmosphäre zeigten eindrücklich: Diese Rückkehr war ein Fest für Publikum und Opernhaus gleichermaßen.
Musikalisch überragend und szenisch mitreissend stand Anna Netrebko als Donna Leonora an diesem Abend im Mittelpunkt. Ihr Sopran präsentierte sich warm, volltönend, mit tragfähiger Mittellage und leuchtenden Höhen. Ihre Bühnenpräsenz war überwältigend, jede Geste und jeder Ton zeugten von tiefer Identifikation mit der Musik und der Figur. Ihr Rollenporträt war durch und durch berührend: Netrebko verlieh Leonora eine emotionale Tiefe, die ihr inneres Ringen, ihre Verzweiflung und ihren seelischen Halt auf ebenso eindringliche wie natürliche Weise sichtbar machte. In „La Vergine degli angeli“ spann sie weite, fließende Bögen, getragen von einer fast überirdischen Ruhe. „Pace, pace, mio Dio“ markierte den emotionalen Höhepunkt des Abends – intensiv, mitreißend und zutiefst bewegend. Dass Leonora im dritten Akt nicht auftritt, ließ diesen Moment umso kostbarer erscheinen. Bei so einer Leistung hatten es die übrigen Sänger naturgemäss schwer.
Michele Pertusi als Padre Guardiano begeisterte mit einem sonoren Bass von edlem Schmelz und tiefer Wärme. In den Duetten mit Netrebko verschmolzen die Stimmen zu einem ergreifenden harmonischen Klangbild – dem musikalischen Zentrum der Aufführung.
Yusif Eyvazov gestaltete den Don Alvaro mit beeindruckender Stimmkraft und heldischem Einsatz, zeigte jedoch im langen dritten Akt Ermüdungserscheinungen. George Petean als Don Carlo di Vargas war technisch versiert und darstellerisch engagiert, blieb im letzten Akt jedoch etwas zurückhaltend.
Die Nebenrollen glänzten ebenfalls: Annalisa Stroppa als temperamentvolle Preziosilla, Roberto Frontali als pointierter Fra Melitone in der Opera-Buffa Tradition, Tomislav Jukic (Trabuco), Stanislav Vorobyov (Marchese di Calatrava) und Natália Tuznik (Curra) ergänzten das Ensemble auf hohem Niveau.

Die Inszenierung von Valentina Carrasco rückte die musikalische Leistung in den Vordergrund. Sie verlegte die Handlung in eine imaginäre Gegenwartsschweiz im Krieg: Szenen spielen in Zürich, vor dem UNO-Sitz in Genf, einer Kirche oder dem Kongresszentrum in Davos – Orte, zerstört und in Trümmerlandschaften verwandelt. Bereits während der Ouvertüre flimmern Projektionen aktueller Nachrichten, während ein herrenloser Hund streift.
Das Bühnenbild von Carles Berga, mit Unterstützung von Mariangela Mazzeo, übersetzt das Konzept in realistische Trümmerlandschaften. Die Kostüme von Silvia Aymonino mischen Zivilkleidung, Militäruniformen und karnevaleske Elemente, was die stilistische Uneinheitlichkeit . Fabrice Kébours Licht sorgt für dramatische Stimmungswechsel.
Carrasco interessiert sich weniger für das titelgebende Schicksal, das zentrale Ereignisse des Stücks antreibt. Themen wie Spiritualität oder Trost bleiben zugunsten der detaillierten Darstellung der Grausamkeit des Krieges außen vor. Selbst die Mönche, die sie laut Programmheft als Kriegsgegner versteht, tragen Armeeuniformen – ein symbolisches, aber vor diesem Hintergrund widersprüchliches Bild. Die Personenregie ist sängerfreundlich, das visuelle Gesamterscheinungsbild wirkt jedoch wie ein Sammelsurium vertrauter Regietheater-Motive. Die Mischung aus Symbolen, Projektionen und Aktualisierung wirkt bemüht, aber ästhetisch veraltet. Man wähnte sich teilweise einer Veranstaltung für Regietheater – Nostalgiker. Nach einer längeren Unterbrechung durch eingespielten Drohnenlärm vor dem vierten Akt war das Publikum erleichtert, als die Musik wieder einsetzte.Gianandrea Noseda leitete das Orchester des Opernhauses Zürich zu einer glänzenden Leistung. Die Ouvertüre erklang kraftvoll und präzise, das Klarinettensolo fein modelliert, die Streicher homogen und leuchtend. Noseda wählte stets sängerfreundliche Tempi und betonte Verdis dramatische Architektur. Der Chor des Opernhauses Zürich unter Klaas-Jan de Groot präsentierte sich bestens vorbereitet, klanglich präsent und differenziert.Das Publikum belohnte Anna Netrebko, die weiteren Sänger und das Orchester mit großem Jubel und Ovationen – die Regie erhielt verhaltene Buhrufe. Musikalisch ein Triumph, szenisch ein zwiespältiger Abend, getragen von einer überragenden und zutiefst berührenden Leonora.
Marco Aranowicz
