Roméo et Juliette
Charles Gounod (1818-1893). Drame lyrique in 5 Akten. Libretto von Jules Barbier und Michel Carré nach der Tragödie von William Shakespeare.
Musikalische Leitung: Roberto Forés Veses; Inszenierung: Ted Huffman; Bühnenbild: Andrew Lieberman; Kostüme: Annemarie Woods; Lichtgestaltung: Franck Evin; Choreinstudierung: Ernst Raffelsberger; Choreografie: Pim Veulings; Juliette: Julie Fuchs; Roméo: Benjamin Bernheim; Frère Laurent: Brent Michael Smith; Le Comte Capulet: David Soar; Mercutio: Yuriy Hadzetskyy; Stéphano: Svetlina Stoyanova; Tybalt: Omer Kobiljak; Gertrude: Katia Ledoux; Le Duc de Vérone: Valeriy Murga; Le Comte Paris: Andrew Moore; Gregorio Jungrae: Noah Kim; Benvolio: Maximilian Lawrie
Besuchte Vorstellung: 7. Mai 2023, Zürich
Musik: 5*****
Regie: 4***
Bereits am Ostermontag hatte das Opernhaus Zürich seine Neuinszenierung von Charles Gounods Drame-lyrique Roméo et Juliette in einer Starbesetzung herausgebracht. Dabei war als Regisseur Ted Huffman engagiert worden, der dem Zürcher Publikum bereits vor einigen Jahren eine äußerst gelungene Neuproduktion von Madama Butterfly präsentiert hatte. Auch dieses Mal vertraute der Regisseur bei seiner Regiearbeit ganz auf die Musik von Charles Gounods und die Kraft der berühmtesten Liebesgeschichte der Welt. So erreichte er mit sparsam eingesetzten Mitteln eine eindringliche Wirkung. Bühnenbildner Andrew Liebermann hat dem Regisseur dazu eine einfache, helle Halle gebaut, wobei als einzige Requisiten zwei Stuhlreihen dienten. Die eleganten Kostüme von Annemarie Woods verorten das Geschehen irgendwo in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, legen die Zeit der Handlung jedoch nicht ganz fest, sodass der Eindruck von Zeitlosigkeit entsteht.
In diesem zurückhaltendenen Rahmen erzählt der Regisseur die Geschichte des unglücklichen veroneser Liebespaares einfühlsam und auf natürlich-berührende Weise, ganz in der Tradition von Shakespeare-Aufführungen. Dabei fährt die Bühnenrückwand den ganzen Abend über langsam nach vorne, bis sie beim Tod des Liebespaar ganz vorne angekommen ist… Mit großer Spannung war bei dieser Aufführung das Engagement von Benjamin Bernheim erwartet worden, der in der besuchten Aufführung ganz in der Partie des Roméo aufging. Mit seinem schlank geführten, schön-timbrierten Tenor wurde er sowohl den lyrischen, viel Schmelz erfordernden Passagen, als auch den dramatisch-heldischen Momenten seiner Rolle bestens gerecht. Großen Applaus erhielt sein gefühlvoll vorgetragenes „Ah lève-toi, soleil“ , sowie den mühelos erreichten Spitzenton bei „Je veux la revoir“ am Ende des dritten Aktes, wenn Romeo durch den Herzog von Verona (Valeriy Murga) verbannt wird.
Ideal harmonierte Bernheim mit der Juliette der jungen Sopranistin Julie Fuchs, die mit klarem, silbrig-timbrierten Sopran und makellosen Koloraturen bereits bei „Je veux vivre“ begeisterte und die mit ihrer Interpretation von „Amour, ranime mon courage“ im dritten Akt über sich hinaus wuchs und so zutiefst erschütterte. In den drei Duetten fand das unglückliche Liebespaar zu einer sich kontinuierlich steigernden Intensität, die einer bewegenden Schlussszene kulminierte. Die zahlreichen kleineren Partien hatte das Opernhaus Zürich durchweg hervorragend besetzt. Svetlina Stoyanova als Roméos Page Stephano begeisterte mit einem köstlich sarkastisch gesungenen Spottlied vor dem Hause der feindlichen Capulets, ebenso wie Katia Ledoux als Juliettes liebevolle Amme und Vertraute Getrude. Herausragend präsentierten sich insbesondere in der mit Messern ausgezeichnet choreographierten Kampfszene des 3. Aktes auch Yuriy Hadzetskyy als Mercutio und Omer Kabiljak als Tybalt. Mit balsamischen Bass gab Brent Michael Smith einen gütigen und ungewöhnlich jungen Frère Laurent und stellte damit einen Gegenpol zu dem autoritär agierenden, jedoch ebenfalls balsamisch klingenden, Vater Capulet von David Soar dar.
Andrew Moore als Graf Paris, Jungrae Noah Kim als Gregorio und Maximilian Lawrie als Benvolio komplettierten das hochkarätige Ensemble. Der von Ernst Raffelsberger einstudierte Chor präsentierte sich choreographiert von Pim Veulings mit grosser Spielfreude. Am Pult der Philharmonia Zürich dirigierte Roberto Fores Veses stets sängerfreundlich und abwechslungsreich, wobei die zarten Streicher- und Harfenklänge zu Beginn des zweiten Aktes besonders gefühlvoll ausgekostet wurden. Das Publikum zeigte sich am Ende der Vorstellung hellauf begeistert und spendete langanhaltenden rhythmischen Applaus für alle Beteiligten.