L’Italiana in Algeri. Teatro alla Scala.

Gioachino Rossini. L’italiana in Algeri. Teatro alla Scala.
Besuchte Vorstellung: 13. September 2021.

Mustafà: Carlo Lepore
Elvira: Enkeleda Kamani
Zulma: Svetlina Stoyanova
Haly: Giulio Mastrototaro
Lindoro: Maxim Mironov
Isabella: Gaëlle Arquez
Taddeo: Roberto de Candia
Teatro alla Scala Chorus and Orchestra
Dirigent: Ottavio Dantone
Regie: Jean-Pierre Ponnelle
Wiedereinsetzung: Grischa Asagaroff

Musik: *****5*****
Inszenierung: *****5*****

Zu einem wahren Fest für Auge und Ohr geriet an der Mailänder Scala die Wiederaufnahme von Gioacchino Rossinis Opera Buffa L’Italiana in Algeri. Nach fast eineinhalb Jahren Schließung durch die Corona-Pandemie meldete sich das berühmte Opernhaus im Sommer mit Aufführungen von Giorgio Strehlers Inszenierung von Le Nozze di Figaro zurück vor Publikum – da war es nur konsequent und begrüßenswert, dass man sich im Anschluss entschieden hatte mit der “Italiana-Inszenierung” von Jean-Pierre Ponnelle einen weiteren Klassiker mit Kultstatus zurück auf die Bühne zu bringen. Diese wunderbare Inszenierung hatte 1973 an der Scala unter der musikalischen Leitung von Claudio Abbado Premiere und wurde in der Folge an zahlreichen Opernhäusern weltweit  u.a. in Düsseldorf, an der Wiener Staatsoper, der Metropolitan Opera, sowie der Bayerischen Staatsoper und trug auf Grund ihres Referenzcharakters massgeblich zur Rossini-Renaissance im 20. Jahrhundert bei. Der bereits 1988 verstorbene Regisseur hat für seine Inszenierung ein wunderschönes märchenhaft-orientalisches Einheits-Bühnenbild entworfen, welches allerdings durch Lichteffekte und Modifikationen des Hintergrunds stets wandlungsfähig und abwechslungsreich blieb. Die fantasievollen und äußerst aufwändigen Kostüme entfalten eine Orient-Pracht, die ihresgleichen sucht, formen jedoch gleichzeitig augenzwinkernd und liebevoll die jeweiligen Charaktere.

L'Italiana in Algeri
L'Italiana in Algeri PH Brescia e Amisano ©Teatro alla Scala

In diesem wunderbaren optischen Umfeld entfaltet sich Rossinis turbulente Komödie mit einem Tempo und Witz, der in der heutigen Opernwelt wirklich seinesgleichen sucht – ein Klamauk, dessen Pointen Dank der ausgezeichneten Neueinstudierung von Grischa Asagaroff, Ponnelles langjährigem Assistenten, mit äußerster Präzision  ihre Ganze Wirkung entfalten konnten. Und das zur Freude, des größtenteils jungen Publikums!

Auch musikalisch bot die besuchte Aufführung ein wahres virtuoses Feuerwerk! Kurzfristig eingesprungen war als Mustafà Carlo Lepore, welcher in dieser Rolle bereits vor vielen Jahren an der Scala zu hören war. Sein wunderschöner und profunder Bass, seine präzise, witzige und treffsichere Artikulation und das virtuose Spiel – der Bey von Algier darf in dieser Inszenierung nur von einem Handtuch bekleidet einen Bauchtanz zum Besten geben – machten aus dem Bey von Algier trotz seiner Brutalität einen liebenswerten und zutiefst menschlichen Charakter. In der Titelrolle der Isabella  war die junge französische Mezzosopranistin  Gaëlle Arquez zu hören, deren klare, aber doch sinnliche Stimme ebenfalls eine ausgezeichnete Besetzung darstellen. Mit viel Witz und Charme wickelte diese Italienerin bereits beim “Cruda Sorte” alle Algerier um den Finger, um im Anschluss mit höchst virtuos vorgetragenen Koloraturen zu punkten und deren Auftritt zum ersten Finale in einem prächtigen roten Kleid, wahrlich laufstegmässig geriet.

L'Italiana in Algeri
L'Italiana in Algeri. PH Brescia e Amisano ©Teatro alla Scala

Mustergültig vorgetragen waren auch das “Per lui che adoro”, sowie das anspruchsvolle “Pensa alla Patria”. Abgerundet wurde diese wunderbare Leistung durch das komödiantische Parmesan-Reiben für den Pappataci Mustafà am Ende der Oper. Mit Maxim Mironov hatte die Scala ebenfalls ein sehr guten Sänger für die anspruchsvolle Tenorrolle des Lindoro zur Verfügung. Trotz seines etwas ungewöhnlichen Timbres begeisterte auch er mit virtuosen Koloratur-Läufen und Spitzentönen, welche ihren Höhepunkt im hohen Schlusston von Lindoros strahlendem C-Dur-Jubel “Come il di giubilo” zu Beginn des zweiten Aktes fanden. Ganz in der Tradition der Commedia del`Arte gab Roberto de Candia Isabellas Verehrer Taddeo, dessen Eifersuchtsszene im Duett “Ai Capricci della sorte” wahrlich hinreissend gelang, während das entzückende Kaffee-Quintett des zweiten Aktes, auch dank des glockenhellen Soprans von Enkeleda Kamani in der undankbaren Rolle der Elvira zu einem unvergesslichen  Highlight des Abends geriet.

L'Italiana in Algeri
L'Italiana in Algeri. PH Brescia e Amisano ©Teatro alla Scala

Äusserst sympathisch legte Guilio Mastrototaro den Piraten Haly an, welcher sentimental in seiner Arie die Qualitäten der  italienischen Frauen besang, während Svetlina Stoyanova als Sklavin Zulma aufhorchen ließ. Ausgezeichnet hatte Alberto Malazzi den Herrenchor der Mailänder Scala einstudiert, welcher grosse Freude darin fand, die geforderten Eunuchen, Piraten und Italienischen Sklaven zu verkörpern. Am Basso Continuo und Klavier sorgte James Vaughn für eine lebendige und orientalisch angehauchte Begleitung der Rezitative. Wohl auf Grund der Corona-Pandemie, hatte man sich entschieden, die Oper mit einer kleinen Orchesterbesetzung. Dies hörte man deutlich, obwohl Dirigent Ottavio Dantone äußerst um ein rhythmisch akzentuiertes, farben- und temporeiches Dirigat bemüht war. Bei dieser schlanken Interpretation wurde einem an zahlreichen Stellen der Einfluss bewusst, den Mozart auf wohl noch auf den jungen Rossini gehabt haben muss. Da erinnerte die Betonung des Schlagzeuges, während  der quirligen Wunschkonzert-Ouverture durchaus noch an die Orientalismen Entführung aus dem Serail, während das Finale des zweiten Aktes deutliche Reminiszenzen an Cosi fan tutte erweckte….

Diese “Italienerin” ist in jedem Fall ein wunderbarer Opernabend, welcher enthusiastisch vom etwa nur zu einem Drittel gefüllten Zuschauerraum gefeiert wurde.

Marco Ziegler

L'Italiana in Algeri
L'Italiana in Algeri. PH Brescia e Amisano ©Teatro alla Scala
L'Italiana in Algeri. Teatro alla Scala.
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Marco Aranowicz

EDITOR-IN-CHIEF

MARCO ARANOWICZ IS BASED IN ZURICH. HE IS GOING TO THE OPERA SINCE THE AGE OF TEN, AND HE LIVES FOR THE GREAT ITALIAN OPERA REPERTORY.

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Chris
Chris
2 Jahre zuvor

Endlich mal wieder was Schönes in der Oper. Danke für die Empfehlung.