L’italiana in Algeri von Gioachino Rossini (1792-1868). Dramma giocoso per musica in zwei Akten. Libretto von Angelo Anelli. Besuchte Vorstellung: Opernhaus Zürich, 10/03/2022.
Musikalische Leitung: Gianluca Capuano; Inszenierung: Moshe Leiser, Patrice Caurier
Isabella: Cecilia Bartoli
Mustafà: Pietro Spagnoli
Lindoro: Lawrence Brownlee
Taddeo: Nicola Alaimo
Haly: Ilya Altukhov
Elvira: Rebeca Olvera
Zulma: Siena Licht Miller
Orchestra La Scintilla – Chor der Oper Zürich – Statistenverein am Opernhaus Zürich – Hammerklavier: Enrico Maria Cacciari
Musik: 4****
Inszenierung: 4****
Zu einem rauschenden Publikumserfolg geriet am Opernhaus Zürich die Neuproduktion von Gioachino Rossinis 1813 in Venedig uraufgeführtem „Dramma giocoso“ L’italiana in Algeri„. Man hatte dabei neben einer exzellenten Star-Besetzung, auch eine Inszenierung übernommen, die bereits vor einigen Jahren mit grossem Erfolg bei den Salzburger Festspielen gezeigt worden war. Regie führte dabei das belgische Regie-Duo aus Moshe Leiser und Patrice Caurier, das bereits seit vielen Jahren der Züricher Oper verbunden ist. Bei ihrer quirligen, gelegentlich auch etwas überdrehten Inszenierung schiesst das Regieteam dabei gelegentlich etwas übers Ziel hinaus. So reihen die beiden Regisseure auf der opulent und liebevoll von Christian Fenouillat ausgestatteten Bühne – zur Freude des Publikums – einen Schenkelklopfer an den anderen. Da wird kein Klischee des Orients und Italiens ausgelassen und liebevoll ironisch auf der Bühne präsentiert: Man hört die Rufe des Muezzins, sieht Kamele, Schafe, einen heruntergekommenen Luxus-Mercedes, eine nordafrikanische Gang, gleichzeitig aber auch übergewichtige europäische Touristen mit Sonnenbrand, eine Spaghetti essende italienische Fussballmannschaft, sowie für die Schlussszene einen Luxus-Dampfer.
In den Laufsteg-reifen bunten Kostümen Agostino Cavalca werden dabei die Sänger mit atemberaubendem Tempo geführt, sodass man teilweise gar nicht weiss, wo man zuerst hingucken soll. Mustafa, der Bey von Algier, ist dabei kein Herrscher, sondern ein in die Midlife-Crisis gekommener zwielichtiger algerischer Geschäftsmann, der, wie man während der Ouvertüre vor Augen geführt bekommt, Probleme im Bett mit seiner Frau Elvira hat. Er sehnt sich daher nach einer aufregenden Italienerin, die ihn aus seiner Frustration «errettet», und findet diese schliesslich in der Figur der Isabella.
Cecilia Bartoli kann in der Rolle der verführerischen Italienerin Isabella ihrem Ruf als einer der führenden Interpretinnen von Rossinis Werk alle Ehre machen. Mit einem Feuerwerk an Koloraturen, Farben und Verzierungen, wickelte die temperamentvolle Sängerin das Publikum mit sattem Mezzosopran in den anspruchsvollen Arien „Cruda Sorte“, „Per lui che adoro“ und „Pensa alla Patria“ um den Finger. Dabei machte sie auch szenisch reitend auf einem Kamel oder sich in einem Schaumbad räkelnd immer eine ausgezeichnete Figur.
Bestens harmonierte sie dabei mit dem Star-Tenor Lawrence Brownlee, der mit weich timbrierten Tenore di Grazia und dem für ihn charakteristischen Timbre in den anspruchsvollen Koloraturen des Lindoro brillierte und dessen strahlender C-Dur Jubel „Ah come il cor di giubilo“ wahrlich vom Publikum gefeiert wurde. Der Mustafa des Abends wurde in dieser dritten Vorstellung von Pietro Spagnoli gesungen, der diese Rolle als eher nachdenklichen und introvertierten Charakter zeigte. Mit seinem edlen, textverständlichen Bass überzeugte er mit seiner Arie „Gia d´insolito adore nel petto“, sowie in den zahlreichen Ensembles wie dem entzückend komponierten „Kaffee-Quintett“ oder dem „Pappataci-Terzett“. Gerade hier, gelang es auch Nicola Alaimo als Taddeo mit seinem Buffo-Talent zu punkten und trotz seines etwas – im wahrsten Sinne des Wortes – zu dick aufgetragenen Kostüms die Würde zu bewahren. Schönstimmig besang Ilya Altukhov als Haly die Qualitäten der italienischen Frauen, während Rebecca Olvera als Elvira und Siena Licht Miller als Zulma insbesondere darstellerisch zum Gelingen des Abends beitrugen.
Der von Ernst Raffelsberger einstudierte Herrenchor konnte in den rauschend-virtuos komponierten Finali des ersten und zweiten Aktes durch Spielfreude und musikalische Finesse beeindrucken, während das auf Originalinstrumenten spielende Orchester La Scintilla im ersten Teil des Abends noch etwas brauchte um warm zu werden. Im zweiten Akt jedoch brillierte das Orchester mit viel Tempo und Spielwitz unter der beherzten musikalischen Leitung von Gianluca Capuano.
Nachdem es beim Szenenwechsel vor der Schlussszene zu einer Bühnenpanne gekommen war, bei der sich die Rückwand des Bühnenbildes beim Hochfahren verfing und die Musik für einige Sekunden unterbrochen werden musste, spendete das bestens gelaunte Publikum rhythmische stehende Ovationen. Das ganze Ensemble griff diese Feststimmung auf und wiederholte den Schlusschor der Oper „Andiamo Padroni“, bevor das Publikum beschwingt in die Nacht entlassen wurde.