Das Rheingold
Das Rheingold. 1854. Vorabend (Prolog) zu Der Ring des Nibelungen in vier Szenen. Komponist Richard Wagner. Libretto vom Komponisten. Uraufführung im Königlichen Hof- und Nationaltheater, München, am 22. September 1869.
Musikalische Leitung: Jonathan Nott; Inszenierung: Benedikt von Peter; Co-Regie: Caterina Cianfarini; Woglinde: Inna Fedorii; Wellgunde: Valentina Stadler; Flosshilde: Sophie Kidwell; Wotan: Nathan Berg; Donner: Michael Borth; Froh: Ronan Caillet; Loge: Michael Laurenz; Fricka: Solenn’ Lavanant Linke; Freia: Lucie Peyramaure; Erda: Hanna Schwarz; Alberich: Andrew Murphy; Mime: Karl-Heinz Brandt; Fasolt: Thomas Faulkner; Fafner: Runi Brattaberg; Erste Norn: Marta Herman; Zweite Norn: Jasmin Etezadzadeh; Dritte Norn: Sarah Marie Kramer; Siegmund: Ric Furman; Brünnhilde: Trine Møller; Puppenspiel: Stephan Q. Eberhard; Sinfonieorchester Basel.
Besuchte Vorstellung: 6. Oktober 2023, Theater Basel
Musik: 4****
Regie: 2**
Rheingold! Rheingold! Überall Rheingold!
Die Schweiz hat das grosse Glück zeitgleich drei verschiedene Ringzyklen geniessen zu können, einen Ringzyklus auf drei Millionen Einwohner, was auf die Einwohnerzahl Deutschlands hochgerechnet 28 Ringzyklen ergeben würde, um sich diese aussergewöhnlich hohe Zahl vor Augen zu führen. So läuft der Ring in dieser Spielzeit ebenfalls in Bern und Zürich, wobei man an eben genannten Orten mittlerweile schon bei der Götterdämmerung angelangt ist. Der Hauptgrund für Operagazet, diese Vorstellung am Theater Basel zu besuchen, war das Dirigat von Jonathan Nott, welcher bei seinem zweiten kompletten Ring 2013, konzertant am Lucerne Festival, zusammen mit den Bamberger Symphonikern und einer illustren Solistenaufstellung (Albert Dohmen, Petra Lang, Andreas Schager, Peter Galliard, Mikhail Petrenko, Johannes Martin Kränzle etc.) hinsichtlich der musikalischen Qualität ein äusserst Bayreuth-würdiges Ergebnis erzielte. So erzeugten damals die Bamberger Symphoniker unter Jonathan Nott im akustisch einzigartigen Konzertsaal des KKL einen wunderbar transparenten Klang, wobei sie die bombastischen wie auch die äusserst berührenden Stellen meisterhaft gestalteten.
Am Theater Basel entschied sich Intendant und Inszenierer Benedikt von Peter gemeinsam mit der Co-Regie von Caterina Cianfarini, das Orchester wie am Festspielhaus Bayreuth unsichtbar zu machen, leider nicht mit demselben klanglichen Ergebnis. So wurde in Basel der Orchestergraben überdacht, wobei sich über einer Öffnung des Bühnenbodens ein Gitter befindet, über welches die Solisten hinweggehen können und durch welches der Klang des Orchesters nach aussen bzw. nach oben dringen soll. Dies erzeugt nicht wie am Festspielhaus Bayreuth ein magisch-sphärisches und insbesondere dreidimensionales Klangerlebnis, sondern führte zu einer Dämpfung und Mattheit des Klangs wie auch zu einer ungünstigen Klangausbreitung im Saal. Mit einem Verstecken des Orchesters hatte also kein Bayreuth-Effekt erzeugt werden können. Trotz dieser klanglichen Einschränkung war das sehr gute Orchesterspiel des Symphonieorchester Basels sowie die wunderbar strukturierte und detailreiche Gestaltung Jonathan Notts deutlich erkennbar. Man würde sich daher sehr wünschen, den Ring mit dem Symphonieorchester Basel ohne diese klangliche Einschränkung erleben zu können.
Wenig befriedigend
Die Inszenierung selbst ist wenig befriedigend. So wird der Fluss der Musik durch unnötige Kommentare Brünnhildes aus dem Off, angeblich ein Rückblick auf ihre Kindheit, gestört. Störend auch, dass das ganze Rheingold auf einer nüchtern gestalteten Einheitsbühne stattfindet, mit einem linksseitig auf der riesigen Bühne stehenden zweistöckigen Walhall als Rohbau, einem ganz vorne auf der Bühne stehenden, lang gezogenen Holztisch mit passenden Stühlen sowie der Weltesche im Hintergrund. Dies alles unterstützt den Fortgang der Geschichte nicht, zumal die ganze Handlung stets im selben Raum stattfindet. Dies macht es schwierig, der Handlung zu folgen, und steht einem Aufbau emotionaler Spannung im Weg. Es befinden sich zeitweise sehr viele Personen auf der Bühne, welche gemäss Textbuch gar nicht dort zu sein brauchen, so können wir beispielsweise einen stummen Siegmund, eine stumme Brünnhilde, einen stummen Siegfried, drei stumme Nornen wie auch eine Vielzahl von umhergehenden Kindern erblicken. Die vielen Personen führen auf der Bühne zu einer grossen Unruhe, welche nicht im Einklang mit der gespielten Musik steht.
Bei den Kostümen (Katrin Lea Tag) handelt es um Alltagskleidung der 40er-Jahre, wobei Wotan als einziger «Ring-konform» mit Pelzmantel und Speer ausgestattet ist.
Erfolgreiche optische Einlagen
Als gelungene optische Einlagen sind die als drei grosse Puppen durch den Raum schwebenden Raumnixen, Alberich als übergrosse Kröte sowie der Auftritt des Drachen zu werten. Jedoch erscheint es seltsam, diese Elemente in ein und derselben Aufführung neben Solisten in 40er-Jahre Alltagskleidung vorzufinden. So schafft man keinen Eindruck der Kohärenz. Die Inszenierung sucht psychologische Feinheiten auszuarbeiten und Beziehungsdynamiken darzustellen, welche ohnehin auf subtilere Weise schon im Text vorhanden sind und wirkt hierbei eher plump. Man ist es müde, textbuchfremde Szenen zu sehen, beispielsweise wie Wotan sich mit den Nornen unter dem Tisch verlustiert oder wie er den Finger von Alberich mit einem Messer abtrennt, um an den Ring zu gelangen.
Michael Laurenz als Loge
Dass der Basler Wotan dominant und vulgär ist, lässt sich alleine schon durch das einnehmende Schauspiel und die musikalisch brachiale Gestaltung der Rolle durch Nathan Berg erkennen, sodass die hinzugefügten Szenen überflüssig erscheinen. Die musikalische Qualität und die szenische Gestaltung der weiteren Solisten sind durchwegs hoch bis sehr hoch. Solenn’ Lavanant Linke gestaltet eine leichtstimmig wirkende, jedoch stets gut hörbare, wohlkingende, verständliche und optisch elegante Fricka. Andrew Murphy als Alberich war gesanglich einnehmend und neben dem ekligen Wotan Nathan Bergs vielleicht etwas zu sympathisch. Als Höhepunkte sind die Auftritte von Michael Laurenz als Loge zu werten, mit einwandfreier Textverständlichkeit und vollständiger Rollen-Assimilation. Geradezu grandios. Thomas Faulkner als Fasolt und Runi Brattaberg als Fafner spielten ihre Rollen als widerliche Tölpel grossartig. Ausgezeichnet war auch Karl-Heinz Brandt als Mime. Wunderbar war das Zusammenspiel zwischen Mime und Loge, welche sich gegenseitig zu schauspielerischen Höchstleistungen anzuspornen schienen. Wohlklingend und einnehmend waren Michael Borth als Donner und Ronan Caillet als Froh. Klanglich beeindruckend war der Auftritt Lucie Peyramaure als Freia, mit grosser, dramatischer Stimme, welche man gerne auch in der Rolle der Senta oder der Elisabeth erleben würde. In der Rolle der Urwala Erda war die mittlerweile 80-Jährige Hanna Schwarz, welche von 1976 bis 1980 im legendären «Jahrhundertring» von Patrice Chéreau und Pierre Boulez mitwirkte und deren «Weiche, Wotan, weiche!” magisch und intonationssicher gelang.
Man hätte sich in Basel eine in der Deutung schlichtere, weniger ambitiöse, auf das Wesentliche der Handlung konzentrierte bzw. eine dem Textbuch treuere Inszenierung gewünscht. Trotz der erwähnten klanglichen Einschränkung lässt sich die musikalische Qualität des Symphonieorchesters Basel und des Dirigats Jonathan Notts gut erkennen, was den Weg nach Basel lohnt.
Christian Jaeger