BARKOUF
Barkouf, Jacques Offenbach (1819-1880), Opéra-comique in drei Akten, Libretto von Eugène Scribe und Henry Boisseau. Opernhaus Zürich, 06-11-2022. Schweizer Erstaufführung.
Musikalische Leitung: Jérémie Rhorer; Inszenierung: Max Hopp; Bababeck: Marcel Beekman; Le Grand-Mogul: Andreas Hörl; Saëb: Mingjie Lei; Kaliboul: Daniel Norman; Xaïloum: Sunnyboy Dladla; Maïma: Brenda Rae; Balkis: Rachael Wilson; Périzade: Siena Licht Miller; Erzähler: André Jung; Chor des Opernhauses Zürich; Philharmonia Zürich
Music 5*****
Direction 5*****
Das Opernhaus Zürich hatte Ende Oktober eine echte Rarität herausgebracht: Jacques Offenbachs 1860 in Paris uraufgeführte und bis heute selten gespielte Opéra-comique Barkouf war als Schweizerische Erstaufführung mit grossem Erfolg zu Premierenehren gekommen. Zwei Jahre nach der Uraufführung des wesentlich bekannteren Orpheus in der Unterwelt, war Offenbach mit diesem Werk erstmals an die Opéra Comique in Paris zurückgekehrt, wo er als junger Musiker seine grosse Karriere als Cellist begonnen hatte. Der Titel des Werkes verrät bereits auf lautmalerische Weise, womit sich das auf einem Libretto von Eugene Scribe und Henri Boisseaux basierende Werk als Hauptfigur befasst: Es geht um einen Hund – genau genommen um einen Hund, der in der Stadt Lahore als Gouverneur die Macht übernimmt und dessen Frauchen Maïma, die Einzige ist, die zwischen dem regierenden Hund und seinen «Untertanen» sprachlich vermitteln kann. Dieser gelingt es so, den angeblichen Willen des Hundes zu Gesetzen zu machen und für ihre privaten Ziele zu nutzen, was natürlich nicht Allen gefällt.
So plant, allen voran der machthungrige Grosswesir Bababeck, Barkouf zu vergiften – eine Verschwörung, die misslingt. Auch wenn Barkouf am Ende heldenhaft im Krieg stirbt, endet die Operette für die beteiligten Zweibeiner glücklich: Maïma darf endlich ihren Geliebten Saëb heiraten, während das Volk von Lahore den tierischen Herrscher noch einmal bejubelt.
Das Opernhaus Zürich hatte dabei keinen Aufwand gescheut, dieses selten gespielte und lange verschollene Werk, mit seinen polit-satirischen Anspielungen auf die autoritäre zweite Kaiserzeit in Frankreich, auf die Bühne zu bringen. Der deutsche Regisseur und Schauspieler Max Hopp vertraut dabei ganz auf die Wirkung von Offenbachs mitreissender Musik. Im klug gebauten, fantasievollen und äusserst virtuos eingesetzten Bühnenbild von Marie Caroline Rössle, erzählt Hopp die temporeiche Handlung auf intelligente und äusserst unterhaltsame Weise. Er ersetzt dabei die gesprochenen Dialoge durch einen Erzähler, dessen vom Regisseur geschriebener, äusserst poetischer und geistreicher Text, mit viel Hingabe durch André Jung gesprochen wurde. Dabei gelang es jedoch, diese Idee nicht übermässig zu strapazieren und die Entwicklung der Handlungsstränge vor allem den Musiknummern zu überlassen.
Ein wahres Fest für die Augen waren dabei die orientalisch inspirierten, zwischen extravagantem Glitzern und zarten Pastelltönen gehaltenen Kostümen, von Ursula Kudrna, die in der besuchten Vorstellung Jung und Alt zum Staunen brachten. Die mitreissenden Choreografien von Marina Borroni bewegten sich dabei stets im Takt mit Offenbachs meisterhafter Musik. Und der Hund? Hier hatte sich das Regieteam für eine Mehrteilung des Vierbeiners entschieden. So waren zum einen die Umrisse des Tieres königsgleich in einer orientalischen Lampe, die aus dem Bühnenboden herabhing, sichtbar, während der Erzähler André Jung mehrfach zur Freude des Publikums zeigen konnte, was er an Bellen und Knurren von sich geben konnte. Zum anderen wurden viele verschiedene Hunde in entscheidenden Szenen durch Tänzerin witzigen Fellkostümen dargestellt.
Aber auch musikalisch war diese Offenbach-Wiederentdeckung ein wahres Fest. Das Opernhaus hatte wahrlich ein Ensemble zusammengestellt, das an Musikalität und Spielfreude kaum zu überbieten war. Marcel Beekman präsentierte sich als zwielichtiger Grosswesir Bababeck ganz in komödiantischer Operetten-Tradition und sorgte mit seinem urkomischen Rollenporträt für viel Heiterkeit. Dem stand der imposant kostümierte Grossmogul von Andreas Hörl um nichts nach und beeindruckte mit sicher geführtem Bass. Als Saëb brachte Mingjje Lei einen sicher geführten lyrischen Tenor mit, der bestens mit dem glockenhellen Koloratursopran von Star-Sängerin Brenda Rae harmonierte, die als Hundebesitzerin Maïma ein wahres Feuerwerk an virtuos gestalteten Verzierungen in ihre Interpretation mit einbrachte und in ihre Rollengestaltung viel komisches Talent mit einfliessen liess. Rachael Wilson beeindruckte als Balkis mit warm geführtem Mezzosopran rundum. Mit komödiantischem Volleinsatz begeisterte Sunnyboy Dladla in der Rolle des Rebellen Xaïlum, Siena Licht Miller blieb als liebliche Périzade im Gedächtnis.
Klangprächtig und spielfreudig präsentierte sich der von Ernst Raffelsberger einstudierte Chor, während die Philharmonia Zürich unter Jérémie Rhorer die idealen Klangfarben für dieses selten gespielte Werk entfaltete. Rhorer betonte die kunstvolle Instrumentation durch Jacques Offenbach, die bereits Anklänge an die viel später entstandene Oper Les Contes d`Hoffmann durchschimmern liess.
Das Publikum, das der hinreissenden Vorstellungen bereits mit viel Lachen gefolgt war, spendete am Ende allen Beteiligten begeisterte, musikalisch vom Orchester untermalte Ovationen. Eine wahrlich lohnenswerte Ausgrabung!