AIDA
Musikalische Leitung | Nicola Luisotti
Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme| Hugo de Ana
Chor | Andrés Máspero
Il Re | Deyan Vatchkov
Amneris | Ketevan Kemoklidze
Aida | Anna Netrebko
Radamés | Jorge de León
Ramfis | Simón Orfila
Amonasro | Gevorg Hakobyan
Sacerdotessa | Jacquelina Livieri
Un messaggero | Fabián Lara
Coro y Orquesta Titulares del Teatro Real
Das von den Befürwortern moderner Inszenierungen häufig hervorgebrachte Argument, klassische Inszenierungen würden sich zu häufig zu stark ähneln, wurde nach dem Genuss dieser Produktion völlig widerlegt.
Music 4****
Direction 5*****
Zu einem Triumph für Anna Netrebko geriet ihr Auftritt als Aida am Teatro Real in Madrid, nachdem sie die unglückliche äthiopische Prinzessin in diesem Sommer bereits mit grossem Erfolg in der Arena di Verona verkörpert hatte. Im ungleich viel kleineren Teatro Real zeigte die Star-Sopranistin nun, mit welcher Perfektion, sie ihre stimmlichen Mittel dem jeweiligen Setting anzupassen vermag. So überstrahlte die Netrebko auch in diesem intimeren Umfeld stimmlich alles. Mit ihrem dunklen, fast erotischen Timbre, ihrer ausgezeichneten Technik in allen Lagen und ihrer enormen Bühnenpräsenz, nahm die Sängerin von Anfang an gefangen. Es entstand so ein faszinierendes Rollenportrait einer Ausnahme-Künstlerin, wie man es – gerade bei der schwer zu besetzenden Titelrolle der Aida – nur selten erlebt. Besonders zu erwähnen bei dieser mustergültigen Interpretation, ist da natürlich die an Intensität kaum zu überbietende Nil-Arie «Qui Radamès verra… Oh patria mia» mit ihren schwierigen Registerwechseln und einem makellosen Aufstieg zum hohen C.
Diese führte im vollbesetzten Haus wegen des Szenenapplauses zu einer minutenlangen Unterbrechung mit nicht enden wollenden Bravo-Rufen. Ihre Interpretation rundete die Netrebko schließlich mit einer zu Herzen gehenden, vollendet belcantistisch gestalteten Sterbensszene «O terra, addio» auf faszinierende Weise ab. Neben einer solch starken Titelrollen-Sängerin, hatte es naturgemäss der Rest der Besetzung schwer. Als Radamès hatte Netrebko dieses Mal mit dem aus Teneriffa stammenden Jorge de Leon einen ausdrucksstarken und markant auftrumpfenden Tenor-Partner, der – wie viele seiner Kollegen – die schwierige und herausfordernd am Anfang der Oper gelegene Arie «Celeste Aida» benötigte, um sich stimmlich aufzuwärmen. Vor diesem Hintergrund fand der Sänger jedoch insbesondere im dritten und vierten Akt mit seiner baritonal und metallisch gefärbten Stimme zu grosser Intensität, wobei er insbesondere während des berühmten Schlussduetts zu berühren vermochte. Ketevan Komoklidze verkörperte mit ihrem schlank geführten Mezzosopran eine schönstimmige, insbesondere in der Gerichtsszene szenisch intensive Amneris, deren finales Gebet um Frieden, die betörende musikalische Harmonie der Aida-Schlussszene herstellte. Gevorg Hakobyan sang einen markanten, vokal präsenten Amonasro und sorgte mit seinem Aida entgegengeschleuderten «Dei Faraoni tu sei la schiava» für einen unvergesslichen Höhepunkt.
Publikumsliebling Simón Orfila gab einen nachtschwarz-bedrohlich singenden Oberpriester Ramfis, während Deyan Vatchkov als Pharao die Ägypter mit kultiviert geführten Kantilenen zu den Waffen rief. Jacquelina Livieri liess als Sacerdotessa bei ihrer Anrufung des Phtas mit interessanter Klangfarbe aufhorchen. Die vielstimmigen, von Andrés Máspero einstudierten Chöre, klangen während der «Guerra-Rufe» durchweg mächtig-martialisch und fanden in der berühmten Triumphszene «Gloria all’Egitto ad Iside» zu einer guten Balance aus Feierlichkeit und Exotik. Am Pult des Orquesta Titulares del Teatro Real stand in der besuchten Vorstellung der erfahrene Dirigent Nicola Luisotti, der Verdis unvergängliche Musik auf effektvolle und spannungsgeladene Weise interpretierte. Da wurde einerseits das bereits im Preludio zart herausgearbeitete «Aida-Motiv» der rasenden Eifersucht der Amneris gegenübergestellt; da ertönte andererseits aus dem Orchester bedrohlich die düster-absteigende Tonfolge der Priester. Luisotti liess zudem voller Grandezza die berühmten Aida-Trompeten der Bühnenmusik in ihrer ganzen Pracht erstrahlen, während die Pizzicati der Streicher im dritten Akt in ihrer Schilderung einer Nacht am Nil in der Wüste auf atemberaubende Weise lautmalerisch flirrten…
Atemberaubend und bildmächtig war zudem die Inszenierung des argentinischen Regisseurs und Ausstatters Hugo de Ana aus dem Jahre 1998 geraten, die Elemente eines archaisch anmutenden, altägyptischen Körperkultes mit stilisierten Wüstenszenen und Pyramidenansichten auf poetische und hochästhetische Weise verband. Unvergesslich geriet dabei die Triumphszene, bei der Solisten und Chor zum Teil auf einer gigantischen an den Seiten gespiegelten Treppe positioniert waren, was einen unvergesslichen Klang- und Raumeffekt erzeugte. Das von den Befürwortern moderner Inszenierungen häufig hervorgebrachte Argument, klassische Inszenierungen würden sich zu häufig zu stark ähneln, wurde nach dem Genuss dieser Produktion völlig widerlegt: Man muss kein Inszenierungsexperte sein, um zu erkennen, dass etwa zwischen den berühmten Aida-Inszenierungen eines Franco Zeffirelli und dieser klassischen Produktion von Hugo de Ana stilistische Welten liegen, wobei in beiden Fällen, der Inhalt der Oper auf mustergültige und musikalische Weise vermittelt wird….
Das Publikum zeigte sich am Ende der Aufführung hellauf begeistert und spendete allen Künstlern, voran Anna Netrebko stehende Ovationen!
Ausgezeichnet, Marco Aranowicz. Ich habe die Anna Netrebko nie ‚live‘ gesehen, aber ich folge sie schon zeit Jahren auf Youtube, habe sie vom Anfang geliebt. Eine Freundin von Putin? Ich glaube nicht. Russisch? Ja.